Ein „perfekter Sturm“? Deutschlands zukünftige Rolle in internationalen Krisen- und Konfliktgebieten

Eine BSH-Delegation nahm am 1. Juli erneut an den 13. Petersberger Gesprächen zur Sicherheit teil und diskutierte dabei sowohl die internationalen Herausforderungen des deutschen Engagements wie auch aktuelle Entwicklungen in der Bundeswehr.

Wolfgang Hellmich MdB eröffnet die 13. Petersberger Gespräche zur Sicherheit

Staatssekretär Walter J. Lindner warnt vor dem „perfekten Sturm“

René Muschter (BSH) fragt nach der wachsenden Bedeutung regionaler Organisationen zur Lösung (inter)nationaler Konflikte

Panel zu den Neue Herausforderungen für das Krisenengagement der Bundesregierung

Panel zur inneren Lage der Bundeswehr

Gruppenbild der BSH-Delegation u.a. mit Wolfgang Hellmich MdB (Vorsitzender des Verteidigungsausschusses), Oberstleutnant André Wüstner (Vorsitzender des Deutschen Bundeswehr Verbandes) und Ulrike Merten (Präsidentin der GSP)

Zur Fragestellung der “Internationalen Ordnung im Umbruch - Aktuelle Herausforderungen und Perspektiven der deutschen und der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik” trafen sich am Samstag, dem 1. Juli Vertreter aus Politik, Wirtschaft, der Bundeswehr und zivilen Organisationen sowie Vertreterinnen und Vertreter des BSH im Maritim Hotel in Königswinter. Wolfgang Hellmich, MdB und Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des deutschen Bundestages begrüßte insbesondere die anwesenden Studierenden des BSH und sprach sich für einen intensiveren Austausch mit dem sicherheitspolitischen Nachwuchs aus. In seiner Rede widmete Hellmich sich unter anderem der Wichtigkeit der parlamentarischen Kontrolle unter dem Aspekt, dass Verteidigungspolitiker einen tatsächlichen Einblick in die Realität der Soldaten im Ausland bekommen würden und folglich ein wichtiges Bindeglied zur Gesellschaft darstellen.

 

In seiner Keynote-Speech resümierte Walter J. Lindner , Staatssekretär des Auswärtigen Amtes: “In der internationalen Politik ist jetzt der Blick auf Deutschland gerichtet; einerseits mit Wohlwollen, andererseits aber auch mit großen Erwartungen verbunden.” Er berichtete im Besonderen von seinen Besuchen in Afghanistan und im Irak, wo er den Einsatz der dortigen deutschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kontext der hohen Gefahrenlage würdigte. Deutschland müsse jedoch noch mehr Einsatz in anderen internationalen Missionen zeigen und sich als aktive Mittelmacht nicht hinter Sanitätsmissionen verstecken. Neben dem aktuellen Tagesgeschehen warnte Lindner vor einem “perfekter Sturm”, der sich bereits zusammenbraue und zukünftige Krisen definieren werde. Dieser Sturm bestehe aus der globalen Erderwärmung, wachsender Rohstoffknappheit und der globalen Bevölkerungsexplosion. In punkto Klimawandel berichtete Lindner von den großen Sorgen der pazifischen Inselstaaten und kritisierte den Austritt der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen. Die Endlichkeit vieler Rohstoffe, im Speziellen auch von Nahrungsmittel, würden in Anbetracht des rasanten Bevölkerungswachstums aktuelle Krisengebiete weiter destabilisieren. Lindner betonte in diesem Zusammenhang die zunehmende Anzahl von Mega-Städten in Afrika und China, welche in den nächsten 30 Jahren noch einmal deutlich anwachsen würden. “Bei der Flüchtlingskrise haben wir zum ersten Mal einen Geschmack von diesem Sturm bekommen”, gab Herr Lindner schließlich zu bedenken.

 

Nach dieser aufrüttelnden Einstimmung folgte eine Debatte über die in den letzten Wochen vielfach diskutierte Innere Führung der Bundeswehr im Kontext von erniedrigenden Ausbildungsritualen und rechten Tendenzen innerhalb der Truppe. Der Wehrbeauftragte Dr. Hans-Peter Bartels MdB bestätigte die Kritik zu Haltung, Führung und Vertrauen: „Da ist eine Menge dabei, das nicht geht.“ Allerdings wies er auch darauf hin, dass die Bundeswehr eben auch nur aus normalen Bürgerinnen und Bürgern bestünde und somit in ihren Reihen die gleichen Strömungen existieren würden wie im Rest der Gesellschaft. Ulrike Merten, Präsidentin der Gesellschaft für Sicherheitspolitik, erkannte den Fehler in der Struktur der Bundeswehr und damit schlussendlich beim verantwortlichen Verteidigungsministerium. Man müsse die ethische und politische Bildung für die Soldatinnen und Soldaten verbessern, um langfristig extremistischen Tendenzen etwas entgegensetzen zu können, da alleine Verbote nicht ausreichen würden. Des Weiteren bemerkte sie, dass es nicht verwunderlich sei, dass die Vorgesetzten von sexueller Nötigung und erniedrigen Ritualen nichts mitbekämen, wenn die Beaufsichtigung junger Soldatinnen und Soldaten in Kasernen zu später Stunde kaum stattfinde.

 

Diskutiert wurde allerdings nicht nur über die innere Struktur der Bundeswehr, sondern auch über ihre Auslandseinsätze und die damit verbundenen Probleme sowie Herausforderungen für die Zukunft der Streitkräfte. Frau Dr. Almut Wieland-Karimi vom Zentrum für Internationale Friedenseinsätze betonte dazu, dass Deutschlands Engagement im Peacekeeping einen “blinden Fleck” aufweise. So sei die Anzahl der deutschen Peacekeeper viel zu gering. Darüber hinaus seien auch zivile Helferinnen und Helfer im Ausland mittlerweile ein “Export-Schlager made in Germany”. All dies müsse jedoch im Rahmen eines vernetzten sicherheitspolitischen Ansatzes geschehen. Die Rolle von Peacekeeping im Ganzen betrachtete sie jedoch relativ nüchtern und gab zu bedenken, dass Peacekeeper keinen Frieden schaffen, sondern eher Schlimmeres verhindern würden. Dies wurde auch vom Abteilungsleiter Strategie und Einsatz des Verteidigungsministeriums, Generalleutnant Dieter Warnecke bestätigt: „Wir wissen alle, dass der militärische Beitrag immer nur ein Teil der Gesamtstrategie und Problemlösung sein kann.“ Auch die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wurden thematisiert, wobei Ministerialdirigent Dr. Rüdiger Huth von Seiten des Verteidigungsministeriums auf die guten Arbeitsbeziehungen auf den meisten Ebenen hin wies, selbst wenn der amerikanische Präsident Donald Trump teilweise unberechenbar agiere.

 

Die Debatte beschäftigte sich darüber hinaus mit der Rolle Deutschlands im europäischen Verbund und um eine mögliche gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Flottillenadmiral Jürgen Ehle, zuständig für Militärpolitik bei der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschen bei der EU, betonte, dass seit dem Brexit auch eine gewisse Aufbruchsstimmung in der EU herrsche, da das Vereinigte Königreich in der Vergangenheit viele Vorstöße im Bereich der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik blockiert hätten. Gleichzeitig forderte er aber auch, dass man neben Reformen innerhalb der EU, ebenfalls mehr Geld in die Hand nehmen müsse, um das eigene internationales Engagement zu fördern bzw. andere Akteure in ihren Fähigkeiten zu ertüchtigen.

 

Auch in diesem Jahr durfte die BSH-Delegation erneut eine Frage direkt an den Keynote-Speaker richten. René Muschter fragte: „Inwiefern ist es möglich, dass zukünftig regionale Organisationen federführend im internationalen Krisenmanagement sein werden, und internationale Organisationen wie die UN eine Rollen spielen werden?“ Staatssekretär Walter J. Lindner (AA) betonte darauf, dass regionale Organisationen wie die Afrikanische Union tatsächlich eine hohe Verantwortung trügen und Deutschland mehr machen müsse, um diese zu regionalen Akteure zu ertüchtigen, was besonders am Beispiel Mali ersichtlich sei. Schon allein aus einem Eigeninteresse heraus sei dies sinnvoll, um Deutschland zu entlasten.