Blauhelme, Klima und Mediation

Passend zum Tag der UN, Ende Oktober, startete die neunte Aufbauakademie des BSH zum Thema „Deutschland und die Vereinte Nationen“ und beschäftigte sich mit dem deutschen Engagement in der größten multilateralen Organisation der Welt.

Dr. Maximilian Spinner vom Auswärtigen Amt (@ BSH)

Gruppenbild im Bundesumweltministerium (© BSH)

Nico Schernbeck von der Berghof Foundation im Workshop zum Thema "Mediation" (@ BSH)

Winfried Nachtwei, ehemaliger Bundestagsabgeordneter, im Hintergrundgespräch mit den Seminarteilnehmer/innen (© BSH)

Reflexionsrunde zum Seminarabschluss (© BSH)

Mali: Die meisten deutschen Blauhelme

 

Ein aktuell sehr sichtbares Engagement Deutschlands in den Vereinten Nationen stellt der militärische Beitrag der Bundeswehr in Mali – im Rahmen der UN Peacekeeping Mission MINUSMA – dar. Dass neben diesem Einsatz jedoch auch eine zivile, entwicklungspolitische Komponente des deutschen Engagements einiges bewegt, erfuhren die Teilnehmer von Oberstleutnant i. G. Michael Archut, Austauschreferent des Verteidigungsministeriums im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

 

Die Bundesregierung verfolge den vernetzten Ansatz auch in Mali, so Archut, der erklärt, dass „Entwicklungspolitik gleich Friedenspolitik“ sei, die als zivile Antwort dauerhaft zur Prävention und Lösung von Konflikten beitrage. Mithilfe der staatlichen Durchführungsorganisationen GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) und der KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau), aber auch mit den nicht-staatlichen Trägern des ZFD (Ziviler Friedensdienst) unterstütze das BMZ Projekte und entwicklungspolitische Maßnahmen in über 80 Partnerländern. Das Budget des BMZ betrage dabei rund 8,5 Mrd. Euro. Das Engagement im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in Mali fokussiere sich unter anderem darauf, Zukunftsperspektiven für das Land zu schaffen. Schwerpunkte dabei seien Dezentralisierung, Landwirtschaft sowie Wasser- und Sanitärversorgung.

 

Doch nicht nur auf inhaltlicher Ebene gehe die deutsche Beteiligung in die Breite, sondern auch auf Akteursebene. Der Bundeswehreinsatz in Mali erstrecke sich nicht nur auf MINUSMA, sondern auch auf EUTM Mali (European Union Training Mission in Mali), wie von Oberstleutnant i.G. Jürgen Zadra aus der Abteilung Strategie und Einsatz erläutert wurde. Die facettenreichen Herausforderungen in der Sahelregion biete „Konglomerate und Netzwerke an Schwierigkeiten“, denen man sich gegenübersehe, so Zadra. Die Verbesserung der Lage sei auch nur durch ministeriumsübergreifende Handlungsfelder mit Unterstützung des BMZ, AA, BMVg sowie BMI möglich.

 

Bei MINUSMA trägt die Bundeswehr schwerpunktmäßig zur Lagebildaufklärung sowie der medizinischen Evakuierung und Versorgung bei. Aber auch mit den anderen bilateralen Missionen, wie der französischen Barkhane-Mission, finde im Rahmen des MINUSMA-Mandats Austausch und Unterstützung auf den Gebieten des Sanitätsdienstes und der Logistik statt, laut Zadra. Wie verwoben das Geflecht von internationalen Akteuren ist, wurde den Studierenden besonders im Hinblick auf die Aufgabenverteilung sowie Zuständigkeiten und Beteiligungen klar.

 

Obwohl Mali der Schwerpunkt des deutschen UN-Engagement in Friedensmissionen sei, gibt es noch weitere Einsätze bei denen Deutschland sich aktuell beteiligt oder in der Vergangenheit beteiligt war, wie Oberstleutnant i.G. Dr. Ekkehard Griep (BMVg) überblicksartig erläuterte. Er präsentierte die deutsche Herangehensweise und erklärte die konkreten Versprechen, die die Bundesregierung den Vereinten Nationen gegenüber gemacht hatte. So konzentriere sich das deutsche Engagement besonders auf Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen, die nicht ressourcen- und finanzintensiv, jedoch innovativ seien. Auch die deutsche Beteiligung an MINUSMA spiegelt die deutsche UN-Politik in den Bereichen Training und Kapazitätsaufbau wider.

 

Missionsplanung – eine Herausforderung

 

Die Komplexität und Mehrdimensionalität von im Planungsprozess vor einer UN Peacekeeping Mission wurde den Teilnehmern der Aufbauakademie richtig klar als sie unter Anleitung von Dr. Judith Vorrath (Stiftung Wissenschaft und Politik) und Dr. Annika Hansen (Zentrum für internationale Friedenseinsätze) die Herausforderungen in Bezug auf Sicherheit und Konflikt, politischen Kontext und innerhalb der Missionen bei der Planung einer UN-Friedensoperation sammelten. Mithilfe der Missionen in der Demokratischen Republik Kongo und Haiti veranschaulichten die beiden Referentinnen die Schwierigkeiten und Probleme, die sich sowohl auf politischer als auch missionstechnischer Ebene ergeben.

 

Nach diesem Konglomerat an Problemen wurden die Studierenden durch den aufreibenden und streckenweise iterativen Prozess der Entstehung und Planung einer UN Peacekeeping Operation mitgenommen. Neben den zahlreichen Departments der UN sind auch einzelne Programme – je nach Konflikt und politischer Situation – bei unterschiedlichen Schritten und zu variierendem Ausmaß eingebunden.

 

Ziel: Ein nicht-ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat 2019/20

 

Dr. Maximilian Spinner aus dem Arbeitsstab zur deutschen Sicherheitsratssitzbewerbung des Auswärtigen Amtes skizzierte die thematischen Schwerpunkte – Frieden, Gerechtigkeit, Innovation, Partnerschaft – der deutschen Bewerbung. Deutschland bewirbt sich neben Belgien und Israel für einen von zwei der WEOG (Western European and Others Group) zustehenden nichtständigen Sitze für 2019/20. Langfristig bleibt auch die Reform des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen mit neuen ständigen und nichtständigen Mitgliedern ein Ziel deutscher Außenpolitik. Doch wo genau liegen, abgesehen von deutschen Blauhelmen, die Stärken Deutschlands in der UN? Dr. Spinner wies hier in der Diskussion u.a. auch auf die Schwerpunkte Klimaschutz und Mediation hin.

 

Mit ersterem wurden die Teilnehmer bei einem Besuch des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vertraut gemacht. Aktueller Fokus des Ministeriums auf UN-Ebene liegt auf der Weltklimakonferenz COP23, die Mitte November in Bonn stattfinden wird und Deutschland sich als starker Partner in der Klimapolitik präsentieren wolle, da der Klimawandel auch sicherheitspolitische Relevanz hat.

 

In den zweiten Schwerpunkt der deutschen Sicherheitsratssitzbewerbung, Friedensmediation und Mediation Support, wurden die Teilnehmer von Nico Schernbeck (Berghof Foundation) eingeführt. Die Fragen nach den Unterschieden zwischen Arbitration und Mediation wurden kontrovers diskutiert, ebenso welche Akteure wie in den Dialog inkludiert werden können. Auch die Gesprächsführung und Beratung sei von großer Bedeutung, da „viele Akteure oftmals zum allerersten Mal in dieser Konstellation zusammensitzen“ würden und somit wenig bis keine Erfahrung mit Mediation und Nationaldialogen hätten, betonte der Referent.

 

Abschließende Diskussionen und Reflektionen

 

Eine spannende Angelegenheit war auch das Hintergrundgespräch mit Winfried Nachtwei, MdB a.D. (Bündnis’90/Die Grünen), über das deutsche Engagement in den Vereinten Nationen. Moderator und Bundesvorsitzender Jan Fuhrmann entlockte Herrn Nachtwei historisch-politische Anekdoten, aber auch die Probleme und Lücken des deutschen Beitrags, vor allem im Hinblick auf UN Peacekeeping Operations. Besonders interessant waren die Fragen und Gedankenexperimente, die von Teilnehmern in Bezug auf die deutsche Enthaltung zum Libyeneinsatz sowie den vernetzten Ansatz der Bundesregierung, die Nachtwei umfassend, aber durchaus auch kritisch beantwortete.

 

In der abschließenden Reflektion waren sich die Teilnehmer einig, dass Deutschland schon einiges leisten würde, es jedoch durchaus noch Luft nach oben geben würde. Sollte Deutschland einen nicht-ständigen Sitz im Sicherheitsrat 2019/20 ergattern, sollte die Bundesregierung die nutzen und ihre gute Position weiter zu stärken und ihre Vorhaben in Bezug auf Frieden, Gerechtigkeit, Innovation und Partnerschaften weitervoranzubringen war die einhellige Hoffnung aller Teilnehmer.