PESCO – Meilenstein oder leere Versprechung?

Ende des vergangenen Jahres haben viele EU-Länder beschlossen, stärker im Bereich der Verteidigung zusammenzuarbeiten. Eine Permanent Structured Cooperation (PESCO) soll zustande kommen. Doch wie glaubwürdig ist diese bis jetzt bloße Absichtserklärung der betreffenden Länder? Was bedeutet PESCO für die Beziehungen zwischen der EU und der NATO? Und was kann die Erfahrung mit bisherigen europäischen Verteidigungskooperationen über die Zukunft von PESCO aussagen?

Diese Fragen nahm sich die Hochschulgruppe Freiburg zusammen mit Hauptmann Maik Thiesling, Jugendoffizier im Bezirk Baden, am Abend des 08. Mai 2018 vor. Hauptmann Thiesling, der nach seiner Offiziersausbildung einige Jahre in der Deutsch-Französischen Brigade (DFB) in Müllheim nahe Freiburg stationiert war, konnte eigene Erfahrungen mit dieser bereits seit 1989 bestehenden europäischen Verteidigungskooperation mitteilen und war damit der ideale Redner für dieses Thema.

 

In seinem Vortrag stellte Thiesling zum Einen vor, wie PESCO von Regierungsseiten präsentiert wird und informierte dann über die Strukturen und Pläne innerhalb dieses politischen Vorhabens. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bezeichnete PESCO als „Meilenstein“ in der europäischen Verteidigungszusammenarbeit. Hinter den Plänen läge neben politischem Kalkül, bpsw. bezüglich des Brexit, auch wirtschaftliche Überlegungen, so Thiesling. Für die Rüstungsindustrie würden sich größere Aufträge für europaweit standardisiertes Gerät und Ausrüstung viel eher lohnen als die bisher sehr kleinen Margen für nationale Armeen. Man habe verstanden, dass „viel Geld dadurch verschwendet wird, dass alle ihr eigenes Süppchen kochen“.

 

Thiesling zeigt sich skeptisch: Die Idee einer gemeinsamen Armee in Europa sei alles andere als neu, sondern stamme schon aus der Zeit der römischen Verträge. Doch selbst in den dann - endlich - ab den frühen Neunzigern entstandenen Kooperationen wie der DFB habe kaum eine Vereinheitlichung von Verfahren und Ausrüstung stattgefunden. Ob PESCO eine ernst zu nehmende Initiative sei oder eher eine politische Reaktion auf die wahrgenommene Bedrohungslage im Osten der EU und den Wegfall der USA als selbstverständliche Schutzmacht, bleibe abzuwarten.

 

PESCO bestehe mittlerweile aus 17 konkreten Projekten, die auf Initiative beteiligter Länder freiwillig eingereicht wurden. Meist engagierten sich Länder in einem Bereich, in dem sie sich leistungsstark dünken bzw. in dem sie ihre Standards voranbringen wollen. Aber auch die wirtschaftlichen Ressourcen spielen für ein Engagement eine Rolle. Die Projekte sollen ein erster Schritt zum Aufbau einheitlicher Verfahren und Standards sein, militärisch gesprochen, zum „Festlegen von Fähigkeiten“ führen. Die Zusammenarbeit reiche u. a. über Ausbildungszentren hin zu Strukturbildung zu Kommunikation, Bürokratieabbau und dem Entwerfen von einheitlicher Ausrüstung. Frankreich und Deutschland seien hier wieder einmal die europäischen Motoren. Deutschland zeige sich sehr aktiv bspw. in einem Projekt zum Aufbau eines medizinischen Kompetenzzentrums zur einheitlichen Sanitätsausbildung.

 

In der an dieser Stelle entstandenen Diskussion äußerten die Teilnehmenden auf die Antworten des Hauptmanns hin ebenfalls ihre Skepsis: „Das klingt alles sehr vage“. PESCO sehe nämlich weder einen Zeithorizont für die Umsetzung dieser Projekte und Maßnahmen vor, noch eine Investitionsrate wie bspw. die 2% des BIP bei der NATO. Zudem seien die Details der Projekte und zusätzliche Projekte nicht felsenfest geklärt – Lobbyismus wird hierbei sicher noch eine große Rolle spielen. Auch in nationale Gesetzgebung bzw. Haushaltsentscheidungen sei noch nichts einbezogen.

 

„Ich sehe hier enormes Konfliktpotenzial“, meint Thiesling im Ausblick auf die Diskussions- und Entscheidungsprozesse, die hinsichtlich der Festlegung von Fähigkeiten und beim Aushandeln wirtschaftlicher Interessen sowie bei der Umsetzung in nationale Gesetzgebung vonstatten gehen müssen.

 

Auch die Teilnehmenden fragen sich, inwiefern PESCO von allen beteiligten Ländern als die selbe Art von Verteidigungszusammenarbeit verstanden wird. Immerhin hätten schon die Nachbarländer Polen, Deutschland und Frankreich sehr unterschiedliche Vorstellungen von Außenpolitik, was sich natürlich auf die Sicherheitspolitik auswirke. Hierauf antwortet Thiesling: „Politische Entscheidungsstrukturen müssen veränderten militärischen Strukturen natürlich angepasst werden“. Doch ob, wie oder wann dies passiert, bleibt eine offene Frage.

 

Zuletzt interessierte noch das Verhältnis von PESCO und NATO. Hier gelte von offizieller Seite die Behauptung, dass PESCO komplementär zur NATO angelegt werde und sich für die NATO dadurch ein Fähigkeitsgewinn ergebe – keine Konkurrenz.

 

Neben seiner Erfahrung mit Reformträgheit europäischer Kooperationen im Verteidigungsbereich hat Thiesling in der Brigade an der französischen Grenze jedoch noch etwas gelernt: National gemischt ausgebildete Einheiten seien im Einsatz deutlich effektiver als Einheiten, die erst vor Ort gemischt werden. Das klingt wie ein guter Ansporn, die Zusammenarbeit weiterzutreiben!