Veranstaltungsbericht „Hybrid Warfare“

ADLAS-Herausgeber und Historiker Stefan Dölling beschäftigte sich in seinem Vortrag an der Universität zu Köln kritisch mit dem unklaren Begriff „Hybrid Warfare“ und behandelte im gleichen Atemzug auch die Rolle Russlands im Zusammenhang mit diesem Konzept.

 

Hybrid Warfare ist spätestens seit der Annexion der Krim im Jahre 2014 durch Russland in aller Munde: zumindest gefühlt hat seither jeder eine ungefähre Ahnung davon, was damit gemeint ist. Stefan Dölling, Herausgeber des ADLAS-Magazins, wies allerdings schon am Anfang seines Vortrages darauf hin, dass das Konzept an sich begrifflich auch heute noch unscharf sei und mittlerweile von verschiedensten Akteuren recht inflationär zur Beschreibung teils sehr unterschiedlicher Phänomene genutzt werde. Dabei müsse man derzeit vor allem aufpassen, den Begriff nicht zu einem allgemeinen Platzhalter für alle unfreundlichen Aktivitäten der russischen Föderation gegen die westliche Welt verkommen zu lassen, da dies weder deren Komplexität gerecht werde noch zur analytischen Klarheit ihrer Analyse beitrage.


Trotz der Abwesenheit einer allgemein gültigen Definition könne man durch einen Vergleich verschiedenster Definitionsversuche und Beschreibungen von „Hybrid Warfare“ Aspekte identifizieren, die dessen Kern ausmachten: Ein fundamentaler Punkt sei etwa, so Dölling, dass diese ‚neue‘ Art der Kriegführung in den angegriffenen Gesellschaften gleichzeitig auf sehr unterschiedliche Ebenen jenseits der klassischen, militärischen abziele. Dies mache sowohl die Vorhersage und Entdeckung möglicher Angriffsvektoren als auch die Planung ihrer Abwehr schwierig. Ein hybrider Gegner verschleiere seine Attacken zudem in der Regel komplex, agiere militärisch stets unterhalb der Schwelle zum offenen, konventionellen Krieg und führe seine vielen einzelnen Angriffe darüber hinaus oftmals nur mit jeweils niedriger Intensität aus. Seine besondere Gefährlichkeit entwickle Hybrid Warfare insbesondere daraus, dass er seine Wirkung primär durch Synergieeffekte der vielen, gegen verschiedene Ebenen der angegriffenen Gesellschaft laufenden, an sich oft als harmlos empfundenen, Einzelaktionen beziehe. Die betroffene Gesellschaft realisiere daher oft erst viel zu spät, dass sie tatsächlich ernsthaft angegriffen werde: „Oft bemerkt man Angriffe erst, wenn die Messe bereits gelesen ist“.


Gemessen an seinen Eigenschaften, so Dölling im zweiten Teil des Vortrags, sei „Hybrid Warfare“ indes nichts fundamental Neues. Am Beispiel der so genannten Sudetenkrise des Jahres 1938, die bei näherer Betrachtung erstaunliche Parallelen zur derzeitigen russischen Aggression gegen die Ukraine aufweist, machte der Historiker greifbar, dass das Deutsche Reich die Kernelemente der vermeintlich „neuen“ hybriden Kriegsführung bereits in den 1930er Jahren erfolgreich gegen die Tschechoslowakei zur Anwendung brachte.
Im letzten Teil des Vortrags versuchte Dölling schließlich, ein wenig Licht in die Entstehungsgeschichte des Konzepts „Hybrid Warfare“ zu bringen und gleichzeitig die Frage zu beantworten, was das alles eigentlich mit Russland zu tun habe. Dabei machte er deutlich, dass „Hybrid Warfare“ in seiner ursprünglichen Bedeutung Anfang der 2000er Jahre eigentlich einmal von Politikwissenschaftlern erschaffen worden war, um vor allem die Kriegführung der Tschetschenen und der Hezbollah besser beschreiben zu können – also von Akteuren, die sich in einer Grauzone zwischen staatlichem und nicht-staatlichem Akteur bewegten. Es ging daher ursprünglich um Gruppen, die zwar nicht wirklich in der Lage waren, klassische konventionelle zwischenstaatliche Kriege zu führen, die aber dennoch so hoch entwickelt waren, dass sie in ihrer Kriegführung auf einige Elemente zurückgreifen konnten, die normalerweise nur Nationalstaaten zur Verfügung stehen.


Obgleich sich der Begriff seinerzeit nicht durchsetzen konnte, hätte „Hybrid Warfare“ dann unter gänzlich anderen Vorzeichen mit Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine im Jahr 2014 eine Renaissance erlebt. Seither werde „Hybrid Warfare“ vor allem zur Beschreibung des nicht erklärten Krieges Russlands gegen seinen Nachbarn genutzt. Insbesondere eine Rede des russischen Generalstabschefs Waleri Gerassimow aus dem Jahr 2013 beflügle dabei die Fantasie zahlreicher Beobachter und Analysten, die fortan die vermeintlich „neue“ und „hybride“ Art der russischen Kriegführung auch als „Gerassimov-Doktrin“ bezeichneten. Bei näherer Betrachtung habe der russische General in seiner Rede allerdings keineswegs einen neuen „Russian Way of War“ beschrieben, sondern vor dem Hintergrund von Farbenrevolutionen und Arabischem Frühling vielmehr die sicherheitspolitischen Herausforderungen für Russland aus seiner Sicht skizziert. Doch obgleich selbst der Schöpfer des Begriffs, Politikwissenschaftler Mark Galeotti, mittlerweile öffentlich dafür plädiert hätee, den – eigentlich nur als plakativen Blickfang für seinen Blog gedachten – Begriff nicht mehr zu verwenden, geistere die „Gerassimov-Doktrin“ auch hierzulande weiterhin durch die sicherheitspolitische Debatte.    


Abschließend bekräftigte Stefan Dölling seine Skepsis daran, ob der Begriff „Hybrid Warfare“ gegenwärtig gerade in Bezug auf Russland überhaupt sinnvoll analytisch nutzbar zu machen sei. Denn insbesondere die gern unter diesem Begriff subsummierten, vielfältigen unfreundlichen Aktivitäten der Russischen Föderation gegenüber den liberalen Demokratien westlicher Prägung wären in der Regel eben gerade keine verdeckte Projektion militärischer Machtmittel, sondern ähnelten vielmehr dem, was George Kennan der US-Regierung bereits im Jahr 1948 in seinen Überlegungen zum „Political Warfare“ zur Führung des Kalten Krieges anempfohlen hatte.