Exkursion zur Deutsch-Französische Brigade in Müllheim

In Kooperation mit den Freiburger Jugendoffizieren wurde Ende Januar einer Gruppe der HASF die Besichtigung der Deutsch-Französische Brigade in Müllheim ermöglicht.

Die Brigade feiert dieses Jahr ihr 30. Jubiläum und somit auch die Kooperation und Integration des deutschen und französischen Militärs. Die Schaffung der Deutsch-Französischen Brigade stellt ein sichtbares Zeichen der Aussöhnung mit dem Nachbarstaat dar und dient sowohl als Modell wie auch als Labor für bi- und multinationale Zusammenarbeit in Europa.

Die Brigade erfüllt nicht nur alle Aufgaben und Anforderungen für EU- und NATO-Einsätze, sondern ist seither ein wichtiges Element des internationalen Krisenmanagements welche zur Stärkung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungskooperation beiträgt. Zusätzlich umfasst ihr Auftrag die Unterstützung bei humanitären Notlagen und den Katastrophenschutz. 

 

„Kohäsion wird gelebt.“ 

 Die internen Strukturen sind ebenfalls auf Kooperation ausgelegt: von den Handfeuerwaffen bis zu den Waffensystemen werden Erfahrungen und Praktiken ausgetauscht, damit die Soldaten beider Länder diese korrekt zu bedienen wissen. Die Zusammenarbeit ist kein Automatismus, sondern wird jeden Tag auf ein Neues erarbeitet. In der Praxis gibt es somit eine technische, prozedurale und menschliche Interoperationalität. „Kohäsion wird gelebt“: in Uniform und Identität, in der gemeinsamen Ausbildung und durch binationale Bildungsstätten. Dabei steht die gemeinsame Kohäsion sowohl während der Arbeit als auch im alltäglichen Leben im Vordergrund. Insbesondere der kulturelle Austausch fördert die Integration, so zum Beispiel in der Küche, aber auch durch das gemeinsame feiern nationaler Feiertage. In diesem Rahmen besteht zusätzlich eine enge Verbindung zur Lokal- und Kommunalpolitik wie beispielsweise der Tag der offenen Tür oder eine Städtepatenschaft. Aus wirtschaftlicher Perspektive erbringt die Niederlassung der Brigade in Müllheim Investitionen im zweistelligen Millionenbereich pro Jahr mit sich.  

Die Militäreinsätze der Deutsch-Französischen Brigade umfassen kleinere gemeinsame Einsätzen sowie diverse gemeinsame Verpflichtungen (VJTF1), Katastrophenhilfe und selbst Kampfeinsätze des Brigadestabs. Dazu gehörten in der Vergangenheit: Bosnien (1997), Afghanistan (2004/5, ISAF2), Kosovo (2011/12, KFOR3), Zentralafrika (2012), Hochwasserhilfe an der Elbe (2013), Mali (2014-16, EUTM Mali4), inländische Einsätze für die französischen Soldaten (2015-, Opération Sentinelle) und das Baltikum (2018, NATO eFP5). Aktuelle laufende Einsätze sind die EUTM Mali, MINUSMA6 und von französischer Seite noch die Operation Burkhane. 

Zusammenfassend gab es in den letzten 29 Jahren binationaler Kooperation nachhaltige Entwicklung- und Einsatzerfahrung welche als Modell für europäische Streitkräfteintegration dienen soll. Das Einsatzspektrum umfasst dabei die EU, NATO und UN. 

 

Einblicke und Eindrücke 

Die Exkursion begann zunächst mit einer Rundführung und kurzen Einblicken in die Gebäude der Stabsriege und anschließender Präsentation der Brigade und ihrer Geschichte durch Oberst7 Franke und dem stellvertretenden Brigadekommandeur Oberst Berger.  

Auf die Präsentation folgte eine ausführliche und zum Teil kritische Diskussionsrunde. Aus ihr ging unter anderem hervor, dass Personalknappheit auf deutscher Seite zum Ausgleich der deutschen und französischen Soldatenzahlen geführt hat. Ein möglicher Erklärungsgrund ist hier die unterschiedlichen Mentalitäten der Menschen. So werden zum Beispiel im französischen Militär Versetzungen weniger angefochten, als in Deutschland.  

Zur Förderung einer besseren Integration gibt es neuerdings binationale Ausbildungswochen mit einem sozial, kulturell und militärischem Programm. Ergänzend dazu wird jährlich eine Brigade-Großübung abgehalten.  

Die aus der Deutsch-Französischen Brigade gesammelten Erfahrungen werden auf europäischer Ebene im Aachener Vertrag, in der Schaffung eines Deutsch-Französischen Verteidigungsrats und der Neumodellierung der Idee eines Battlegroup weitergetragen. Dennoch dient sie nach wie vor nur als Prototyp, unter anderem aufgrund der Verfassungskomplexität beider Staaten: so verfügt zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland der Bundestag über die Entscheidungsgewalt über das Militär, während in der Republik Frankreich der Präsident selbst militärische Beschlüsse treffen kann. 

 

(K)eine Europäische Armee? 

In Bezug auf das vieldiskutierte Thema einer gemeinsamen Europäischen Armee muss man zum einen auf die eben erwähnten strukturellen Unterschiede hinweisen und kann ihren realen politischen Mehrwert hinterfragen, da bisher nur Deutschland und Frankreich daran teilnehmen wollen. Man muss sich zudem Fragen, wie die Integration vorangehen soll, wenn man am Beispiel der Brigade schon erkennen kann, dass alleine die Integration zweier Staaten Problem in sich birgt. Daher ist vorerst die punktuelle Kooperation durchzusetzen und zu verfolgen und der Fokus auf Kooperation statt totaler Einheit wichtig. Schließlich ist die PESCO8 Rüstungszusammenarbeit noch auf mehrere Jahre ausgelegt; bis dahin bleibt eine Armee der Europäer eher unrealistisch. Doch besteht auf lange Sicht auch die Intention von den USA militärisch unabhängig zu werden. Somit bleiben Verteidigungsoperationen effektiver als eine Europäische Armee die sich besonders in Auslandseinsätzen vielmehr blockieren würde. In der Praxis bedeutet das eine Harmonisierung der militärischen Verfahren nach einem Framework-Nation-Konzept.  

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Nach der Mittagspause wurde der spannende Schießübungs-Simulator präsentiert und die Gruppe durfte ihn selbst ausprobieren. Auf der anschließenden Rückreise im Bus wurden die individuellen Eindrücke des Tages nochmals in einer lockeren Diskussion kritisch zu Ende geführt. 

                                      

 

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1 Abk.: Very High Readiness Joint Task Force.

2 Abk.: International Security Assistance Force.

3 Abk.: Kosovo-Force. 

4 Abk.: European Union Training Mission Mali.

5 Abk.: NATO Enhanced Forward Presence.

6 Abk.: United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali.

7 Anmerkung: Obwohl der Rang eines Oberst primär für Divisionen vorgesehen ist, stellt die Führung der Deutsch-Französische Brigade eine anspruchsvolle Ausnahme dar. 

8 Abk.: Permanent Structured Cooperation.