Veranstaltungsbericht: United Nations Staff Officer Course - Friedensmissionen von innen betrachtet

UNSOC bereitet Stabsoffiziere auf den Einsatz in führenden Verwendungen im Rahmen von Friedensmissionen der Vereinten Nationen (VN) vor. Vom 07.06.2021 - 25.06.2021 konnten drei zivile TeilnehmerInnen für den BSH teilnehmen.

Die Masken wurden nur für die unmittelbare Aufnahme abgenommen. Copyright: FüAk

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“Expectation Management!” das war die Quintessenz des dreiwöchigen United Nations Staff Officer Course (UNSOC). Der Lehrgang ist eine durch die Vereinten Nationen (UN) zertifizierte und durch verschiedene nationale, militärische Bildungsinstitutionen der UN-Mitgliedstaaten durchgeführte Fortbildung. Zielgruppe sind Angehörige der Streitkräfte, die durch intensive Unterrichtseinheiten und eine anschließende, einwöchige Simulation auf ihren anstehenden Auslandseinsatz in einer UN-Mission vorbereitet werden sollen. 

 

Um den multidimensionalen Charakter von Friedenseinsätzen widerzuspiegeln und gegenseitiges Verständnis zu fördern, bietet die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg auch interessierten ZivilistInnen die Möglichkeit, an dem Lehrgang teilzunehmen. Über den Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) nahmen dieses mal drei zivile Studierende teil, die mit ihrem politikwissenschaftlichen Hintergrund, verschiedenen Auslandserfahrungen und Praktika in internationalen Organisationen eine Außenperspektive in das militärische geprägte Teilnehmendenfeld einbrachten.

 

Der Ablauf des Lehrgangs sah eine zweiwöchige theoretische Einführung in das System der UN, den Aufbau und Ablauf von UN Friedensmissionen sowie in die Grundlagen des Internationalen Völkerrecht vor. Vorträge von hochrangigen Dozierenden aus Wissenschaft und Praxis, viele mit mehrjähriger Arbeitserfahrung in UN-Missionen oder am UN-Hauptquartier in New York zeichneten ein detailliertes und vielschichtiges  Bild der Organisation der Vereinten Nationen. UN-Friedensmissionen bestehen aus fünf Komponenten, deren konstruktives Zusammenspiel, der sogenannte „Integrated Approach“, von essentieller Wichtigkeit für den Erfolg der Mission ist: Politische Komponente, Humanitäre Komponente, Militär, UN-Polizei sowie Administration und Logistik. Der „Head of Mission“ (HoM), der UN-Sonderbeauftragte (Special Representative of Secretary General, SRSG), ist verantwortlich für die Umsetzung des UN-Mandats und koordiniert die UN Aktivitäten im Land. Hierzu zählen beispielsweise die Reform des Sicherheitssektors (SSR), Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (DDR) der Konfliktparteien sowie die Unterstützung und Absicherung von Wahlen. Dabei ist wichtig zu betonen, dass UN-Friedensmissionen stets ein politisches Vorhaben sind, bei denen das Militär eine untergeordnete Rolle spielt und unter ziviler Führung (in letzter Instanz durch den SRSG) steht. Das bedeutet, dass das Handeln der militärischen Komponente innerhalb der Mission nicht immer militärischer Logik oder Strategie folgen muss, ein Umstand, der unter den Kursteilnehmenden einen hohen Diskussionsbedarf auslöste. Die Lehrgangsleitenden ermutigten die Teilnehmenden dazu, ihren Horizont über die militärische Komponente hinaus zu erweitern und den integrativen Ansatz der Mission zu verinnerlichen. Gute persönliche Beziehungen zwischen Mitarbeitenden der verschiedenen Komponenten aber auch zu NGOs und zur Zivilbevölkerung vor Ort können essentiell für den reibungslosen Ablauf und den langfristigen Erfolg der Mission sein.

 

Ein ganz wesentliches Anliegen war den Vortragenden dabei durchaus enthusiastisch über das einmalige globale Projekt UN zu berichten, aber auch einen Bezug zur Realität zu behalten und die Grenzen und Möglichkeiten der Organisation aufzuzeigen. An eine so große und schwerfällige Organisation wie die UN mit 193 mehr oder weniger gewillten Mitgliedstaaten, die sich zum Ziel gesetzt haben hochkomplexe und sensible Konflikte zu deeskalieren und zu lösen, müssten realistische Erwartungen gestellt werden. Nicht zuletzt wegen sogenannter „Christmas Tree Mandates“, die eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben und Missionsziele umspannen, sind die Erwartungen an das Ergebnis der Mission auf allen Seiten meist sehr hoch. Die Dozierenden betonten daher immer wieder wie wichtig es ist, die Erwartungen an den Rahmen des Möglichen anzupassen um Enttäuschungen in der Bevölkerung und Frustration unter den Mitarbeitenden der Mission zu vermeiden. Kurz: Expectation management!

 

Nach zwei Wochen theoretischer Einführung folgte dann ein einwöchiges Planspiel, bei dem die gelernten Inhalte an einer UN Mission im fiktiven Carana zur Anwendung gebracht wurden. Das Szenario: eine multidimensionale Mission, die nach einem halben Jahr Einsatz in einem Bürgerkriegsland mit logistischen Herausforderungen und militärischer Gefährdung konfrontiert wird. In zwei Gruppen, die den Stab der militärischen Komponente einer Friedensmission nachbilden sollten, wurden für den Befehlshaber im Laufe der Woche verschiedene Briefings entwickelt, die ihn über die veränderte Lage im Land informieren und wichtige Entscheidungen zum weiteren Vorgehen vorbereiten sollten. Aufgrund der Hygienebestimmungen war die Anzahl der zivilen Teilnehmenden stark eingeschränkt worden, was dazu führte, dass der im Lehrgang zuvor immer wieder betonte integrative Ansatz einer Friedensmission im Planspiel leider nicht umgesetzt werden konnte. Ziel der Übung war es daher in erster Linie, die Abläufe des militärischen Planungsprozesses innerhalb einer UN-Mission kennenzulernen. Dies war nicht nur für die zivilen Teilnehmenden eine Herausforderung und sorgte für viele arbeitsintensive Stunden vertieft in das Szenario Handbuch und Landkarten mit taktischen Symbolen. Am Ende der Woche präsentierten beide Gruppen ihren idealen Course of Action (CoA), der die Umsetzung des Mandats in Carana auch unter der veränderten Sicherheitslage gewährleisten soll.

 

Durch die gemeinsame Unterbringung in der Graf-von-Baudissin-Kaserne im Hamburger Westen und dem zwar straffen aber nicht unflexiblen Stundenplan blieb neben den Unterrichtseinheiten ausreichend Zeit um sich mit den anderen Teilnehmenden auszutauschen. Für die Offiziere, die in den nächsten Wochen und Monaten ihren Auslandseinsatz in den UN-Missionen in Mali oder im Südsudan antreten, ist die Teilnahme am UNSOC verpflichtend. Im Gespräch mit ihnen wurde deutlich, dass sich viele einen stärkeren Bezug zu ihrem zukünftigen Aufgabenspektrum und mehr Erfahrungsberichte von KameradInnen gewünscht hätten. Dass das mit Blick auf die Vielzahl an unterschiedlichen Verwendungen und die unterschiedlichen Ausprägungen der Missionen nicht in vollem Umfang zu leisten ist, versteht sich von selbst. Überraschend war, dass einige der Offiziere bedauerten, von ihrem Arbeitgeber nur spärlich mit Hintergrundinformationen zur eigenen Verwendung in der Mission und den vor Ort herrschenden Umständen versorgt worden zu sein. Das machte auch den zivilen Teilnehmenden erneut deutlich mit welchen Unsicherheiten und Belastungen für die Familie so ein Auslandseinsatz, auch im Rahmen einer UN-Friedensmission, einhergeht.

 

Ein herzlicher Dank gebührt der Führungsakademie der Bundeswehr für die Möglichkeit am United Nations Staff Officer Course teilzunehmen und die spannenden Einblicke in die Strukturen und Planungsprozesse von UN-Friedensmissionen.