Ein Vortrag über die Reichsbürgerbewegung in Deutschland
Über mehrere persönliche Erlebnisse konnte dabei Dr. Bengt Fuchs berichten. Der Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Gera hat in seinen Gerichtsverhandlungen regelmäßig Kontakt mit Prozessparteien und Publikum, die der Reichsbürgerszene angehören oder nahestehen. „Die Leute teilen mir mit, mein Gericht gäbe es gar nicht und ich sei überhaupt kein Richter“, führt er in seinen Vortrag ein. Tatsächlich gibt es einige Personen und Gruppierungen, nach deren Vorstellung die Bundesrepublik nicht existent sei und sämtliche Gesetze, Gerichtsurteile und Bescheide demnach nicht gelten würden.
Die jeweilige Argumentation ist dabei jedoch unterschiedlich: Während manche Gruppierungen sich auf das Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937 berufen und die Bundesrepublik als GmbH ohne hoheitliche Kompetenz ansehen, gehen andere gar von der Weiterexistenz des Kaiserreichs und dessen Gesetzen aus. Dr. Fuchs stellte deshalb auch die bekanntesten und einflussreichsten Strömungen dieses Gedankenguts dar und erläuterte deren Argumentationsmuster. Zugleich veranschaulichte er, wie sich die Theorien im Einzelnen widerlegen ließen. „Typisch ist, dass diese Leute nur die für sie günstige Passagen lesen, aber nicht weiter“, erklärte er und führte dabei u.a. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und Artikel des Grundgesetzes an. Breite Einigkeit hingegen bestehe bei den einzelnen Gruppierungen jedoch dahingehend, dass sie Sozialleistungen von der verleugneten Bundesrepublik ohne Widerrede annähmen.
Zum Umgang mit derartigen Gruppierungen gab der Referent zu bedenken, dass mit ihnen in der Regel nicht zielführend zu diskutieren sei. „Rechtliche Einwände und Argumente verpuffen. Eine Diskussionsebene besteht in der Regel nicht“, schildert er seine Erfahrungen aus dem Gerichtssaal. Da jeder potentiell in die Lage kommen kann, mit solchen Personen umgehen zu müssen, empfiehlt er, die Szene im Auge zu behalten. Eine komplette Überwachung hält der Jurist hingegen grundsätzlich weder für möglich noch für erforderlich: „Die meisten sind harmlos, nur von einigen gehen Gefahren aus, nämlich die derzeit in den Medien Erwähnung finden.“ Ein Großteil der heterogenen Strömungen würde bislang ausschließlich mit Faxen und seitenlangen Schreiben die staatlichen Organe versuchen zu blockieren, um selbst unzuständige staatliche Stellen durch die schiere Masse an Papier und Ausdrucken zu blockieren. Auch etliche Esoteriker und Verschwörungstheoretiker befinden sich unter den ‚Reichsbürgern‘.
Zudem beleuchtete der Verwaltungsrichter, was die einzelnen Menschen antreibe, sich solchen Bewegungen mit ihren oftmals abstrusen Begründungen anzuschließen. „Die Reichsbürgerszene weckt falsche Hoffnungen“, so Dr. Fuchs. Die Zielgruppe der selbsternannten ‚Reichsverwalter‘, ‚Könige‘ oder ‚Reichsminister‘ seien dabei aber gerade jene, die sich in einer krisenhaften Lage befänden und aus ihren Verpflichtungen und Schulden ihren Ausweg in der Leugnung der Bundesrepublik suchten. Die Anführer der einzelnen Bewegungen hingegen würden durch den Verkauf von Ausweisen, Nummernschildern und Personenstandsbescheinigungen selbst Geld verdienen - und das oftmals auf der Grenze der Strafbarkeit.