Am 30. Mai 2025 referierte Marcel Thanscheidt über die territorialen und maritimen Konflikte in der Region und ordnete diese in einen völkerrechtlichen Rahmen ein. Damit bildete der Vortrag eine praxisnahe Ergänzung der Reihe, in der zuvor theoretische Konzepte wie „Tianxia“, „relational diplomacy“ und „moral realism“ erörtert worden waren.
Der Vortrag begann mit einer geografischen Einführung in das Südchinesische Meer, gefolgt von einem Überblick über die maßgeblichen seevölkerrechtlichen Grundlagen, insbesondere das UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS). Anschließend wurden die historischen Entwicklungen und aktuellen Streitpunkte in der Region beleuchtet, wobei die chinesische Rechtsauffassung – einschließlich der umstrittenen Nine-Dash Line – in den Mittelpunkt der Analyse gestellt wurden.
Der Konflikt im Meerbecken zwischen China, Taiwan, Vietnam, Malaysia, Brunei und den Philippinen besteht schon seit über einem Jahrhundert, allerdings hat er nach der Neuordnung Südostasiens nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere nach dem Inkrafttreten des UN-Seerechtsübereinkommens (UNCLOS) jedoch erheblich an Fahrt gewonnen. Das Südchinesische Meer ist reich an Rohstoffen und beherbergt einige der wichtigsten Handelsrouten der Welt, insbesondere die zwischen Asien und Europa. In letzter Zeit ist der Konflikt immer wieder durch Auseinandersetzungen zwischen Schiffen der chinesischen und der philippinischen Küstenwache auch in den westlichen Medien aufgetaucht. China ist zunehmend dabei künstliche Inseln zu errichten und zu militärischen Stützpunkten auszubauen. Mit zunehmender Stärke der chinesischen Marine hat der Konflikt das Potenzial zu einem Stellvertreterkrieg zwischen China und den mit den Philippinen verbündeten USA zu werden.
Abschließend diskutierten die Teilnehmer engagiert über die völkerrechtliche Bewertung der chinesischen Positionen. Die Veranstaltung vermittelte nicht nur fundierte Informationen über eine der zentralen Herausforderungen der gegenwärtigen Weltpolitik, sondern knüpfte auch an die theoretischen Grundlagen der vorangegangenen Vorträge an. So vermittelte der Vortrag einen tiefergehenden Einblick in die chinesische außenpolitische Strategie im asiatisch-pazifischen Raum und das Völkerrechtsverständnis Chinas.