Zu Beginn gab Hauptmann Remmel einen fundierten Einblick in das russische Verständnis von Krieg und Frieden. Anders als im westlichen Denken, das Krieg und Frieden als klar getrennte Zustände begreift, sei für Russland beides Teil eines kontinuierlichen strategischen Prozesses. Militärische Gewalt werde dabei nicht als Ausnahme, sondern als legitimes Mittel der Politik verstanden – und gezielt eingesetzt, wenn sie als wirksam erscheint. Aus seiner Perspektive sei es seit 2014 ausschließlich Russland gewesen, das diesen Krieg eskaliert habe – nicht die NATO.
Im weiteren Verlauf des Vortrags stand der Unterschied strategischer Kulturen zwischen Russland und dem Westen im Zentrum. Während Russland gezielt strategische Kriegsverbrechen einsetze – also schwere Menschenrechtsverletzungen als Mittel systematischer Kriegsführung begreife – seien entsprechende Verfehlungen auf ukrainischer Seite zwar dokumentiert, jedoch nicht Teil einer systematisch angelegten Strategie. Der Westen reagiere hingegen oft zögerlich, was auch auf eine andere sicherheitspolitische Kultur zurückzuführen sei, die von Zurückhaltung, rechtlichen Normen und historischen Erfahrungen geprägt ist.
Spannend war auch der historische Rückblick, den Hauptmann Remmel vornahm: Er erinnerte an die nationalsozialistischen Verbrechen in der Ukraine im Zweiten Weltkrieg und machte deutlich, dass Deutschland aus dieser historischen Schuld heraus eine besondere Verantwortung trage, die Ukraine zu unterstützen – politisch, humanitär und sicherheitspolitisch.
Im Anschluss an den Vortrag folgte eine offene Fragerunde, in der sich die Teilnehmenden insbesondere für die innenpolitischen und strategischen Beweggründe Russlands interessierten. Thematisiert wurde auch, wie sensibel historische Kontexte zu behandeln sind – insbesondere dann, wenn sie zur Erklärung aktuellen politischen Handelns herangezogen werden. Hauptmann Remmel betonte hier die Notwendigkeit, Geschichte als Verantwortung zu begreifen und Geschehnisse stets in ihren Kontext einzuordnen – jedoch nicht als Relativierung gegenwärtiger Verbrechen.
Wir danken Hauptmann Remmel herzlich für seinen Besuch und den eindrucksvollen Input, der nicht nur sicherheitspolitisches Fachwissen vermittelte, sondern auch zum kritischen Nachdenken über Geschichte, Verantwortung und Gegenwart anregte.