„Desinformation ist die Königsklasse politischer Manipulation“

Mit der Frage „Was ist eigentlich Propaganda?“ startete Sven Jovy, Mitarbeiter der Forschungsgruppe „Resilienz gegen Desinformation“ an der RWTH Aachen, am 3. Dezember 2019 in seinen Vortrag bei der Außen- und Sicherheitspolitischen Hochschulgruppe Heidelberg. Es handle sich bei Propaganda um „gezielte Falschinformationen“ oder eine „Manipulation der gesellschaftlichen Meinung“, schlug das Publikum vor, stellt jedoch rasch fest, dass eine einheitliche Definition schwer auszumachen sei.

Die gestiegene Bedeutung sozialer Medien und der technische Fortschritt hätten das Erstellen und Verbreiten von Falschmeldungen einfacher denn je gemacht, erklärte der Aachener Nachwuchswissenschaftler Sven Jovy. (© ASH Heidelberg)

Im Rahmen des Forschungsprojekts „Resilienz gegen Desinformation“ an der RWTH Aachen beschäftigt sich Jovy mit verschiedenen Formen der gezielten Manipulation im Informationsraum und Möglichkeiten, Sensibilität dafür bei strategischen Akteuren etwa der Bundeswehr und der NATO, aber auch der Zivilbevölkerung zu schaffen. In Heidelberg gab er als Referent bei der ASH Heidelberg Einblick in seine Arbeit. (© ASH Heidelberg)

Der Referent wählte einen anderen Ansatz: “Propaganda und Public Relations (PR), also Öffentlichkeitsarbeit, sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.” All das, was in der freien Wirtschaft als PR bezeichnet werde, sei - auf die Politik übertragen - Propaganda. Genauer gesagt sei Propaganda vorsätzlich überzeugend, einseitig, Teil eines übergeordneten Narratives und adressiert an eine bestimmte Zielgruppe. Der Übergang zwischen Propaganda und politischer Kommunikation sei fließend. Mit dem Begriff „Propaganda“ werde dabei eher das bewusste Beeinflussen mit Hilfe von Informationen betont, wohingegen „Desinformation“ die Motivation des Akteurs herausstelle, bewusst falsche Informationen zu verbreiten. Davon sei der Begriff der „Misinformation“ zu unterscheiden. Dieser bezeichne das unbewusste Verbreiten von Falschinformationen, beispielsweise aufgrund einer fehlerhaften oder ungenügenden Quellenlage. Die bekanntesten Beispiele aus dem Bereich der Desinformation seien sogenannte Fake-News, die Nutzung von Social Bots (Algorithmen, welche Kommentare generieren) sowie sog. Internet-Trolle.

 

Jovy sieht „Desinformation als Königsklasse politischer Manipulation“, denn die gestiegene Bedeutung sozialer Medien und der technische Fortschritt hätten das Erstellen und Verbreiten von Falschmeldungen einfacher denn je gemacht. Ebenfalls ein wichtiger Faktor sei Profit, welcher mit Falschinformationen erwirtschaftet werden könne. So hätte etwa im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 eine Gruppe netzaffiner Jugendlicher aus (Nord-)Mazedonien durch den Aufbau einer gefälschten Nachrichtenseite und der anschließenden Verbreitung von Falschmeldungen einen Umsatz von 60.000 US-Dollar erzielt. Dieses Beispiel zeige deutlich, dass nicht nur politische Gründe, sondern auch wirtschaftliche Anreize hinter dem Erstellen und Verbreiten von Falschinformationen stecken können.

 

Dabei seien die Arten der Informationsfälschung heute vielfältiger denn je. Neben dem circular reporting seien vor allem das Weglassen bestimmter Schlüsselinformationen (“Misleading Information”), sowie auch der sogenannte “Whataboutism” beliebte Methoden der politischen Manipulation. Auch werden zur Untermauerung von Falschinformationen angebliche Experten angeführt, welche der Information eine pseudowissenschaftliche Seriosität verleihen solle.

 

Wichtig sei bei der Effektivität von Desinformation die psychologische Komponente. Jovy verdeutlichte dies am Beispiel des “Confirmation Bias1”. Angenommen man vertrete eine These A, dann blieben alle Informationen, welche diese These unterstützen, eher im Gedächtnis als Informationen, welche dieser These widersprächen. Zugleich würden Informationsquellen gemieden, welche der eigenen Weltanschauung oder These widersprechen.

 

Doch was könne man persönlich gegen solche Falschinformationen tun, wie könne man sich dagegen schützen und wie kann man Falschinformationen erkennen? Diesen Fragen widmete Jovy den letzten Teil seines Vortrags. Besonders wichtig sei es, Quellen generell immer kritisch zu betrachten und diese zu hinterfragen, gerade dann, wenn die Information zu gut das eigene Weltbild bestätigt. Dadurch könnten Falschinformationen von wahren Informationen getrennt werden. Oft helfe es dabei, den Autor bestimmter Quellen zurück zu verfolgen sowie nach weiteren Quellen zu suchen, welche die aufgestellte These oder das Ereignis bestätigen können. Auch gebe es inzwischen Webseiten und Gruppen, welche sich darauf spezialisiert hätten Falschnachrichten im Internet aufzudecken und bekannt zu machen, wie der gemeinnützige Verein Mimikama.at oder die Informationsseite des Europäischen Auswärtigen Dienstes unter euvsdisinfo.eu.

 

Anhand praktischer Beispiele zeigte Sven Jovy abschließend die Herausforderungen, welche durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz im Einsatz für Desinformation entstehen können. Sogenannte DeepFakes ermöglichen es, realitätsnahe Bilder und Videos zu produzieren, deren Fälschung zunehmend nur schwer zu erkennen sind und immer leichter erstellbar sind. In der Zeit der immer schneller geteilten Informationen, ist das Schadpotenzial noch nicht absehbar. Diese Beispiele zeigten eindeutig, dass Des- und Falschinformationskampagnen kein reines Internetphänomen seien, sondern auch Auswirkungen auf die reale Welt haben können.

 


1 Deutsch: Bestätigungsfehler