Veranstaltungsbericht: Kleine pazifische Inselstaaten: Kleine Nationen zwischen großen Mächten

Am 10. Mai diskutierten wir mit Dennis Redeker von der Universität Bremen über kleine Inselstaaten im Pazifik, ihre Rolle in internationalen Organisationen, sowie die Interessen von Großmächten in der Region.

Die Kleinen ganz groß: In diesem Online-Seminar stellte Dennis Redeker über zwölf unabhängige Inselstaaten im Pazifik vor, die häufig durch das Raster fallen. Gemeinsam beherbergen sie beinahe zwölf Millionen Menschen, die sich auf die drei Subregionen Mikronesien, Polynesien und Melanesien, verteilen. Die Staaten fühlen sich Redeker zufolge traditionell jeweils größeren Staaten zugehörig (oder auch von diesen besetzt), wie Hawaii beispielsweise eine starke Verbindung zu den USA habe, Französisch-Polynesien zu Frankreich. Aufgrund ihrer geringen Größe und ihrer Insellage sind diese Länder besonders stark vom Klimawandel und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels betroffen. Deshalb bemühen sie sich gemeinsam um die Förderung des Klimaschutzes. So habe beispielsweise Fidschi im Jahr 2017 die 23. UN-Klimakonferenz in Bonn (kurz: COP23) organisiert, mit dem Ziel, die Auswirkungen des Klimawandels für sich selbst und andere so gering wie möglich zu halten. Bereits im Jahre 1971 wurde das Pazifische Inselforum (PIF) gegründet, das unter anderem auch sicherheitspolitisch aktiv sei, erklärte Redeker mit Bezug auf das verfolgte Ziel der Nichtverbreitung von Atomwaffen. Neuseeland und Australien als Mitgliedsstaaten verleihen dem PIF zusätzliches Gewicht, dass in der Vergangenheit geholfen habe, gemeinsame Interessen nach außen hin geschlossen zu vertreten.
 

Doch nicht nur die Staaten der Region vertreten ihre Interessen nach außen, auch Großmächte bemühen sich, ihre Interessen in der Region durchzusetzen, erläuterte Redeker. Dabei spiele aus Sicht der Inselstaaten vor allem das geschickte Ausbalancieren von kluger Partnerschaft und Selbstständigkeit eine große Rolle, denn schließlich wollen auch diese kleinen pazifischen Inselstaaten ihre Unabhängigkeit erhalten. Australien und Neuseeland sowie die USA und China üben großen Einfluss in der Region aus, ebenso bemühen sich Japan, Südkorea und Taiwan um Einflussnahme. Sogar die EU spiele eine Rolle, so Redeker. Dabei verfolgen die Großmächte verschiedene Strategien, wie Redeker an den Beispielen China und USA darlegte. Beide Staaten hätten sicherheitspolitisches Interessen an der Pazifikregion, zumal sie sich gegenseitig aus dem Pazifikraum drängen möchten. Dabei stellen die Pazifikinseln potentielle Verteidigungslinien dar, die beide Staaten gerne nutzen würden. Chinas Strategie hierfür liege hauptsächlich in der „Visit Diplomacy“, aber auch in wirtschaftlicher Unterstützung. Auch unterstützt China die Devise der Nichteinmischung in interne Auseinandersetzungen. Schwerpunkt der zwischenstaatlichen Beziehungen Chinas mit den Inseln ist die Ein-China-Politik. Die USA hingegen lege ihren Fokus auf das Angebot militärischen Schutzes für die Inselstaaten, im Gegenzug für Vertragsbindungen der Inselstaaten als sogenannte „Freely Associated States“. Solche Verträge hat die USA beispielsweise mit Palau, Mikronesien und den Marshall-Inseln, die wirtschaftliche Unterstützung und diplomatische Beziehungen beinhalten, und für deren BewohnerInnen die Einreise- und der Aufenthaltsbedingungen für die USA erleichtert seien.
 

Diese offensichtliche Einflussnahme größerer Mächte werfe natürlich die Frage auf, wie die Menschen vor Ort auf dieses „kaufen lassen“ reagieren. Bei einer Umfrage, die Redeker gemeinsam mit einer Kollegin unter BewohnerInnen von 14 Inselstaaten durchführte, wurde deutlich, dass China allgemein als größte Gefahr im Pazifik wahrgenommen werde. Entsprechend wünschten sich die Menschen vor Ort — mit Ausnahme von Kiribati — eher weniger Kooperation mit China, wohingegen die Zusammenarbeit mit Australien, das starke Entwicklungshilfe in der Region leiste, gerne ausgebaut werden dürfe.
 

In der abschließenden Diskussionsrunde wurden verschiedene Themen erneut aufgegriffen oder neu thematisiert. So ging es um die Zukunft des US-Engagements in der Region unter Präsident Biden, um die regionale Organisation „Pacific Community“, die Auswirkungen der Covid-Pandemie auf die Region sowie um Kooperationsmöglichkeiten und -wünsche für und an Deutschland. Abschließend wurde dafür plädiert, die Inselstaaten nicht lediglich als passive Mitglieder oder sogar Opfer in der internationalen Gemeinschaft zu betrachten, sondern als selbständige Akteure, die vor allem mit gemeinschaftlichem Auftreten durchaus globale Impulse setzen können — denn schließlich sind auch die Kleinen hin und wieder ganz groß.
 

Wir bedanken uns herzlich für die rege Beteiligung der Teilnehmenden sowie die ausgeprägte Expertise des Referenten.