Erstes Online-Seminar einer Reihe zu COVID-19 und Sicherheitspolitik

"COVID-19: Gefahr oder Glanzstunde des Multilateralismus?" Mit dieser Frage begannen wir am 05. Mai 2020 mit dem ersten von vier Online-Seminaren der Reihe: “Grenzenlose (Un)Sicherheit – Sicherheitspolitik in Zeiten von COVID-19".

Am 05. Mai 2020 veranstaltete der Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) ein Online-Seminar zum Thema Multilateralismus in Zeiten von Covid-19. Diese Veranstaltung war zugleich der Auftakt der Online-Seminar-Reihe „Grenzenlose (Un-)Sicherheit? – Sicherheitspolitik in Zeiten von Covid-19“, die im Rahmen von vier Online-Diskussionen verschiedene Dimensionen von internationaler Sicherheit und deren Beeinflussung durch diese Krise beleuchten wird.

 

Als erste Diskussionspartnerin lud der BSH Dr. Ronja Scheler ein (Programmleiterin im Bereich Internationale Politik der Körber Stiftung und Special Advisor für das Paris Peace), um über die möglichen Auswirkungen der Corona-Krise auf die multilaterale Zusammenarbeit zu diskutieren.

 

Ronja Scheler definiert Multilateralismus in diesem Zusammenhang als „regelbasierte Zusammenarbeit von drei, möglichst noch mehr Staaten, die bevorzugt, aber nicht ausschließlich über internationale Organisationen (IGOs) agieren“. In der Corona-Krise steht der Multilateralismus nach Ansicht der Referentin vor einer ganzen Reihe von Krisen. Neben der vordergründigen Bedrohung der Covid-19 Pandemie für die globale Gesundheit, zwingen auch entstehende ökonomische und humanitäre Krisen die internationale Gemeinschaft in besonderer Weise zur Kooperation. Zudem ließe sich ein Rückgang des Vertrauens in bestehende Strukturen und damit Krisen politischer Systeme beobachten. Die Covid-Krise birgt also Herausforderungen, die sehr viel weitreichender sind, als die derzeitigen Lockerungsmaßnahmen hoffen lassen.

 

Und das alles zu einem Zeitpunkt, zu dem bereits vor Ausbruch des Virus enormer Druck auf den etablierten multilateralen Institutionen lastete, wie Scheler erklärte. Der Rückzug der USA aus einschlägigen internationalen Verträgen, ein drohender Systemkonflikt zwischen den USA und China sowie Reform- und Repräsentationsprobleme innerhalb der internationalen Organisationen seien hier als Beispiele genannt. Vor allem letztere sind „immer nur so stark, wie die Mitgliedsstaaten sie machen“, betont Scheler. Covid-19 verstärke nun diesen Trend der Blockade der IGOs. So sei aus dem UN-Sicherheitsrat vornehmlich „ohrenbetäubendes Schweigen“ zu vernehmen, zitierte Scheler den deutschen UN-Botschafter Christoph Heusgen. Zudem dränge Covid-19 andere Themen in den Hintergrund und hinterlasse vermutlich mehr fragile Staaten und damit mehr Konflikte, deren Ursachen gegenwärtig verstärkt würden. Dem „Global cease fire appeal“ von UN-Generalsekretär António Guterres und dem damit verbundenen Versuch, Konfliktparteien weltweit zu einem Waffelstillstand zu bewegen, folgten allerdings einige Gruppierungen. Es sind auch gesundheitspolitische Annäherungen zwischen Staaten zu beobachten, deren diplomatische Beziehungen ansonsten stark belastet sind. Zudem funktionierten die Einbindung und Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Akteuren Scheler zufolge gut.

 

Die Corona-Krise bietet also eigentlich die perfekte Steilvorlage für multilaterale Zusammenarbeit. Allerdings zeigte Scheler sich skeptisch und befürchtet, dass eine effektive, multilaterale Antwort der IGOs einer gegenseitigen Blockade der Großmächte zum Opfer fallen könne. Es bräuchte die Kraft von anderen, zum Beispiel der Europäischen Union oder der neu ins Leben gerufenen Allianz für den Multilateralismus. In jedem Fall jedoch führe die Krise zu einem Wandel des Multilateralismus von einer universalen Zusammenarbeit unter hegemonialer Schirmherrschaft hin zu einem neuen, zwar fragmentierteren, aber dadurch auch flexibleren multilateralen System.

 

Das Sicherheitsempfinden und die Definition von Sicherheitspolitik werden sich durch Covid in jedem Fall grundlegend verändern und in einer neuen Konzeption nationaler Sicherheit münden, so Scheler.

 

Für alle, die das grandiose Online-Seminar mit Ronja Scheler leider verpasst haben, geht es hier zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=JPRE9L9FXKs&t=1s