Impulsvortrag Georgien – Geopolitische Machtprobe zwischen der EU und Russland

Am Mittwoch, den 18. Dezember 2024, fand unser Online-Stammtisch zur aktuellen politischen Lage in Georgien statt. Mit einem Impulsvortrag von Tsira Kvatchantiradze, einer georgischen Studierenden an der KU Eichstätt, bekamen die Teilnehmenden einen tiefgehenden Einblick in die komplexe Situation des Landes besonders nach den Parlamentswahlen im Oktober 2024. 

 

Zu Beginn der Veranstaltung gab die Referentin einen kurzen Überblick über die historischen Wurzeln Georgiens als Teil Europas. Bereits in der Antike wurde das Land aufgrund seiner Lage am Kaukasus als Bindeglied zwischen Europa und Asien wahrgenommen. Die Annahme des Christentums im Jahr 337 als Staatsreligion und die lange Tradition demokratischer Bestrebungen unterstreichen Georgiens Zugehörigkeit zur europäischen Kultur. Die historische Perspektive verdeutlichte auch die schwierige Beziehung zu Russland. Von der Annexion Georgiens durch das Zarenreich im Jahr 1801 über die Sowjetzeit bis hin zum Krieg von 2008, in dem Russland Abchasien und Südossetien besetzte, zieht sich der Einfluss Moskaus wie ein roter Faden durch die georgische Geschichte. Die Diskussion zeigte auf, wie diese Konflikte die gegenwärtige Politik und den Wunsch nach mehr Unabhängigkeit und Integration in die EU und NATO prägen.

 

Ein zentraler Teil der Veranstaltung war der Rückblick auf die aktuellen Parlamentswahlen im Oktober 2024, die von starker politischer Polarisierung geprägt waren. Die Regierungspartei „Georgischer Traum“ erklärte sich mit 54 % der Stimmen zum Sieger, während die Opposition das Ergebnis als „gestohlenen Wahlsieg“ bezeichnete. Die Referentin erläuterte, dass die Wahlen von Unregelmäßigkeiten überschattet waren, darunter Berichte über Stimmenkauf, Einschüchterung von Wählern und Gewalt in Wahllokalen. Diese Ergebnisse führten zu anhaltenden Protesten in der Hauptstadt Tiflis, bei denen zehntausende Demonstrierende gegen die Regierung auf die Straße gingen. Die Proteste wurden von der Bereitschaftspolizei mit Tränengas und Wasserwerfern zurückgedrängt, was die innenpolitische Lage weiter verschärfte. Die Teilnehmenden diskutierten, wie diese Entwicklungen die Stabilität des Landes beeinflussen.

 

Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der geopolitischen Bedeutung Georgiens. Das Land ist ein wichtiger Verbündeter der EU und spielt eine zentrale Rolle als strategisches Bindeglied für Handelsrouten, insbesondere angesichts der Isolation Russlands. Die Diskussion thematisierte jedoch auch die Hindernisse auf dem Weg zur EU-Integration. Das kontroverse „Agentengesetz“, das NGOs und Medien mit mehr als 20 % ausländischer Finanzierung als „ausländische Agenten“ einstuft, wurde als Bedrohung für die Pressefreiheit und die demokratischen Werte des Landes kritisiert. Die Entscheidung der Regierung, den EU-Beitrittsprozess bis 2028 zu verschieben, stieß ebenfalls auf breite Kritik und wurde als Rückschritt für die europäische Zukunft Georgiens wahrgenommen. Viele Teilnehmende betonten, wie wichtig die Unterstützung der EU für die demokratische Entwicklung des Landes ist.

 

Zum Ende des Abends hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, ihre Fragen zu stellen. Die Fragerunde war besonders lebhaft und reichte von geopolitischen Themen bis hin zu den sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen Georgiens.

 

Die Veranstaltung zeigte damit eindrucksvoll, wie eng die Zukunft Georgiens mit Europa verbunden ist und wie wichtig es ist, die Entwicklungen in der Region weiter aufmerksam zu verfolgen.

 

Der BSH Eichstätt bedankt sich bei Tsira Kvatchantiradze für ihre Zeit und ihren fundierten Input und bei allen Teilnehmenden für die spannende Diskussion und freut sich schon bald wieder einen interessanten Impulsvortrag organisieren zu können.