(Göttingen, 21. Mai 2013) Etwa 120 Studierende hatten sich am Montag, den 13.05.2013, im Hörsaal 103 eingefunden, um dem Vortrag des Afghanistan-Veteranen und Buchautors Johannes Clair zuzuhören. Die Veranstaltung war vom „Arbeitskreis Außen- und Sicherheitspolitik Göttingen“ organisiert und offiziell bei der Universität angemeldet worden. In seinem Buch „Vier Tage im November“ beschreibt Clair offen und nachdenklich seine ungeschminkte persönliche Sicht auf den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Von Juni 2010 bis Januar 2011 war Clair als Fallschirmjäger selbst „an vorderster Front“ zur Bekämpfung von Aufständischen eingesetzt und hat in zahlreichen Gefechten die Schrecken dieses Krieges selbst erlebt. Durch den Vortrag mit anschließender Diskussion sollte den Studiereden ermöglicht werden, sich jenseits der offiziellen Stellungnahmen mit den Kontroversen dieses Einsatzes auseinander zu setzen.
„Mit dem Feind reden wir nicht“
Zu Beginn der Veranstaltung postierten sich jedoch ca. 15 bis 20 Personen an den Rändern des Hörsaals und verhinderten durch lautes Klatschen, Pfeifen und „Jubelrufe“ den Beginn des Vortrages. Als der Referent den Aktivisten das Mikrofon übergeben wollte und ihnen anbot, ihre Ansichten dem Publikum vorzutragen, wurde dies mit den Worten „Mit dem Feind reden wir nicht“ abgelehnt. Außerdem sei Clair in der Gesprächsführung professionell geschult und daher im Vorteil.
Universität kapituliert
Obwohl der weit überwiegende Teil der Zuhörerinnen und Zuhörer den Störungen zum Trotz im Hörsaal ausharrte und sich dem Druck nicht beugen wollte, kam die Universitätsverwaltung der Bitte des Veranstalters auf Durchsetzung des Hausrechts nicht nach. Der hinzugezogene „Notfallmanager“ der Universität drohte zwar über Mikrofon an, die Störer notfalls durch die Polizei entfernen zu lassen, gab dem Veranstalter aber gleichzeitig zu verstehen, dass ein Polizeieinsatz „natürlich“ nicht in Frage komme. Als auch nach zwei Stunden die Störungen immer noch anhielten, sich die Mehrheit der Zuhörerinnen und Zuhörer aber nach wie vor weigerte, den Hörsaal zu verlassen, ordnete das Präsidium der Universität an, die Veranstaltung abzubrechen.
Nachdem daraufhin die meisten Anwesenden den Hörsaal verlassen hatten, konnte die Veranstaltung dann doch noch im kleinen Rahmen durchgeführt werden, da etwa 30 Interessenten im Hörsaal geblieben waren, die den Vortrag unbedingt hören und mit dem Referenten diskutieren wollten.
Kein Einzelfall
Bereits im Januar war in Göttingen eine BSH-Veranstaltung mit einem IT-Experten zum Thema „Cyber Security“ verhindert worden, weil etwa zehn Aktivisten die Tür zum Hörsaal blockiert hatten (vgl. <link http: www.sicherheitspolitik.de bsh-hauptportal aktuelles news-archiv>Pressemitteilung vom 16.01.2013). Auch damals hatte sich die Universität geweigert, gegen die Störer vorzugehen. Zu der Aktion hatten sich „Antimilitarist_innen“ bekannt, die in dem Vortrag eine versteckte Werbekampagne der Bundeswehr sahen, mit der Nachwuchs für „Cyber-Bataillone“ rekrutiert werden sollte.
Wie nun der linksgerichteten Plattform „<link https: linksunten.indymedia.org de node _blank>linksunten“ zu entnehmen war, wurde wohl auch die Diskussion mit Johannes Clair als „Militär-Veranstaltung“ gesehen, mit der die Bundeswehr unter dem Deckmantel des BSH für den Afghanistankrieg werben und „akademischen Nachwuchs rekrutieren“ wollte. Ein Störer wird dort mit den Worten zitiert „Heute ist es erneut gelungen, das Werben für Kriegstreiberei und Mord an der Uni Göttingen zu unterbinden“. Ein weiteres linkes <link http: goest.de _blank>Portal bringt den Untertitel von Clairs Buch („Mein Kampfeinsatz in Afghanistan“) mit Hitlers „Mein Kampf“ in Zusammenhang.
Dialog statt Blockade
Der Bundesvorstand des BSH nimmt besorgt zur Kenntnis, dass die Universität Göttingen gewaltsame Störungen in ihren Räumlichkeiten toleriert und Blockade als Mittel der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zulässt. Die Vorfälle haben gezeigt, dass der ganz überwiegende Teil der Studierenden an einem sachlichen und kritischen Diskurs über außen- und sicherheitspolitische Themen interessiert ist und sich nicht von einer Minderheit bevormunden lassen will, die wegen ihrer gefühlten moralischen Überlegenheit keine Argumente braucht und sich aus Angst um ihre politische „Wohlfühlzone“ auf keine Dialoge einlassen will.
Dem Ideal der freien Universität entsprechend, sollte die Hochschule einen Rahmen garantieren, der eine wissenschaftliche Auseinandersetzung frei von politisch motivierter Einflussnahme ermöglicht.
Der Bundesvorstand des BSH wird deshalb den Dialog mit der Universitätsleitung suchen und hofft, diese davon überzeugen zu können, sich künftig stärker für den wissenschaftlichen Dialog einzusetzen.
Über den BSH
Der Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) ist das größte sicherheitspolitische Nachwuchsnetzwerk in Deutschland und Dachverband von über 30 Hochschulgruppen. Sein Ziel ist die Förderung des akademischen Diskurses zu allen sicherheitspolitischen Themen. Der Dachverband unterstützt die Arbeit seiner Hochschulgruppen und bietet darüber hinaus verschiedene Seminare und Exkursionen an. Der BSH bekennt sich in seiner Satzung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und zur Freiheit von Forschung und Lehre.
gez.
Fabian Forster
Bundesvorsitzender
Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen
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fabian.forster@sicherheitspolitik.de und
www.sicherheitspolitik.de
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