Veranstaltungsbericht: Der ewige Putin? Verfassungsreform und Regimetransformation in Russland

Trotz anhaltender Coronakrise fand zwischen dem 25. Juni 2020 und dem 01. Juli 2020 in Russland das Referendum zur von Wladimir Putin initiierten Verfassungsänderung statt, die es ihm ermöglichen soll, über 2024 hinaus an der Macht zu bleiben. Am 03. Juli hat Dr. Fabian Burkhardt vom Leibniz-Institut für Ost- und Südost- Europaforschung Regensburg (IOS) im Rahmen unseres dritten Online-Seminars mit uns über die Inhalte und Auswirkungen der Verfassungsreform in Russland gesprochen.

Zu Beginn lieferte Burkhardt einen allgemeinen Überblick zur Verfassungsreform und den Weg zu dieser. Putin ist seit 1999 in Russland an der Macht und war zunächst als Premierminister und seit 2000 als Präsident tätig. Aufgrund der Amtszeitbeschränkung hätte Putin bei der nächsten Wahl im Jahr 2024 nicht erneut antreten dürfen. Bereits in den letzten Jahren gab es unterschiedliche Pläne, um die Amtszeitbeschränkung auszuhebeln oder abzuschaffen, so war z.B. ein Zusammenschluss Weißrusslands und Russlands im Gespräch, welcher sich aber nicht verwirklichen ließ.

 

Nach Burkhardt handele es sich bei Russland um ein geschlossenes autoritäres Regime. Die Macht sei hier sehr konzentriert, weshalb es so deutlich einfacher wäre, eine Amtszeitbeschränkung abzuschaffen als z.B. in eher pluralistischen Staaten, wie Armenien, Kirgisistan oder der Ukraine, wo solche Vorhaben auf starken Widerstand aus der Bevölkerung treffen würden. Stabilität spiele besonders in autoritären Regimen eine wichtige Rolle, um den Machterhalt nicht zu gefährden, so Burkhardt. Es war so von großem Interesse für Putin, keinen Zweifel an seiner Position aufkommen zu lassen, um zum Ende seiner zweiten Amtszeit nicht zur „lame duck“ zu werden, was das System hätte destabilisieren können.

 

Die angestrebte Änderung der Verfassung verlief nach Ansicht von Burkhardt in mehreren Phasen. Im Januar wurde erstmals öffentlich konkret die Absicht verkündet, die Verfassung ändern zu wollen. In der nächsten Phase wurden die Inhalte der Verfassungsreform dann in Arbeitsgruppen ausgearbeitet. So wurde u.a. auch nationalkonservative Elemente mit in die Verfassungsreform aufgenommen, wie z.B. dass die Geschichte nicht verändert werden dürfe. Auch Expräsidenten sollen zukünftig noch besser abgesichert werden; so sollen Expräsidenten an ihre Amtszeit anschließend eine Position als Senator auf Lebenszeit einnehmen können. Der zentrale Punkt der Reform liegt allerdings in der Aufhebung der Amtszeitbeschränkung für das Amt des Präsidenten. Dies würde Putin erlauben, bis 2036 an der Macht zu bleiben.

 

Obwohl es rein rechtlich nicht nötig gewesen wäre, die Verfassungsreform dem Volk zur Abstimmung vorzulegen, entschied sich Putin dennoch dazu, das Volk in einem Referendum zwischen dem 25.06. und 01.07.2020 über die Reform abstimmen zu lassen. Burkhardt sah die Gründe für dieses „Plebiszit“ besonders darin, dass es dem Regime so möglich sei, die Bindung zwischen dem Volk und der Regierung zu stärken. Gleichzeitig kann so aber die Bevölkerung auch mitverantwortlich für das Ergebnis gemacht und die Reform besonders legitimiert werden. Außerdem führte Burkhardt an, dass die Opposition so gespalten werden könne, da sie nun vor die Frage gestellt würde, ob sie das Referendum boykottieren oder doch daran teilnehmen wollen. Bei einer offiziellen Wahlbeteiligung von 68% stimmten 78% der Wähler*innen für die Reform. Es kam allerdings vermehrt der Verdacht auf, dass es zu Wahlmanipulationen gekommen sei. So war es auch extrem schwierig, die Wahl wirksam zu überwachen, da diese über sieben Tage andauerte und es außerdem möglich war, auch elektronisch abzustimmen.

 

Zum Ende stellte Burkhardt nochmal die Auswirkungen der Reform für die Zukunft Putins und seines Regimes heraus. Kurzfristig würde die Regierungszeit zwar erstmal verlängert werden, aber langfristig würde das Risiko für Autokraten, auf irregulärem Wege aus dem Amt gedrängt zu werden, statistisch steigen. In Zukunft würde Russland außerdem wohl eher noch autoritärer werden, prognostizierte Burkhardt.

 

Nach dem Vortrag nahm sich Herr Dr. Burkhardt noch Zeit für die Fragen der Zuschauer*innen. Die Fragen behandelten Themen wie z.B. die Zukunft Putins nach 2036, das Verhältnis zu China und auch dem Einfluss der Verfassungsreform auf die Arbeit der Opposition. Es gelang Dr. Fabian Burkhardt, dem Publikum in seinem sehr interessanten Vortrag ein umfassendes Bild der Verfassungsreform im Detail, der Bedeutung ihrer Inhalte und auch ihrer Auswirkungen aufzuzeigen.