Veranstaltungsbericht: 13. Sicherheitspolitische Aufbauakademie

Geteilte Werte, geöffnete Grenzen, und gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik: Die Europäische Union ist in vielerlei Hinsicht „in Vielfalt geeint“ — ganz getreu ihrem Motto. Inwiefern dies auch auf die Europäische Sicherheitspolitik zutrifft, diskutierten 25 Teilnehmende vom 19. - 22. Juli 2021 via Zoom zusammen mit ExpertInnen aus Wissenschaft, Forschung und Praxis.

In seiner Einführung setzte Prof. Dr. Daniel Göler (Universität Passau) theoretische Grundlinien: Was hielt und hält Europa zusammen? Wird die Europäische Union überhaupt als Handlungsrahmen für Sicherheitspolitik wahrgenommen? Göler präsentierte das Konzept der Strategic Culture als besonders einflussreich, wenn es um gemeinsames Handeln geht: Wie gehen die Mitgliedstaaten der EU an Herausforderungen heran? Eine geteilte strategische Kultur würde gemeinsames Handeln befördern, wogegen Hemmnisse und Hürden entstehen, je gravierender Gegensätze in den strategic cultures zu Tage treten. Gemeinsam mit den Teilnehmenden diskutierten wir, wie die EU in der Zeit ihres Bestehens als sicherheitspolitischer Bezugspunkt in Deutschland, Frankreich und Großbritannien wahrgenommen wurde.
 

Direkt im Anschluss wagten die Teilnehmenden bereits erste Schritte in die Praxis. Gemeinsam mit Karen Lohse (DGAP) gingen sie in einem Workshop Mythen über die Seenotrettung auf dem Mittelmeer, Verhandlungen mit Anrainerstaaten wie Libyen und Italien sowie über Entwicklungshilfe und Rückführungen in Herkunftsländern auf den Grund. Das Fazit zur europäischen Flüchtlingspolitik? Umstritten, gescheitert, komplex.
 

Ein weiterer wichtiger Faktor europäischer Sicherheitspolitik ist die NATO. Während die NATO vor allem im militärischen Bereich Sicherheitspolitik betreibt, ist die EU eher für zivile Maßnahmen im Krisenmanagement zuständig. Dirk Schuchardt aus dem Bundeskanzleramt thematisierte das Kooperationsfeld Resilienz, Herausforderungen wie China, Russland und Donald Trump. In der lebhaften Diskussion geht es um Lastenteilung im Sinne des 2%-Zieles, Belarus, Erdogan und Putin. Welche Rolle spielt Deutschland und seine Bundeswehr im Rahmen von EU und NATO? Was erwarten die Verbündeten?
 

Perspektiven von europäischen Nachbarländern sammelten die Teilnehmenden der XIII. AAK mit Prof. Dr. Ebru Turhan (Türkisch-Deutsche Universität, Istanbul), Gabrielle Scholten (Botschaft des Königreichs der Niederlande) und Thomas Regan (Botschaft des Königreichs Großbritannien). Turhan präsentierte die rechtlichen Grundlagen europäischer Nachbarschaftspolitik: Die große Heterogenität der EU-Nachbarn bedinge eine Vielzahl strategischer Partnerschaften und eine differenzierte Integration. Vor allem mit Blick auf die Türkei sei hier eine Menge „work in progress“. Scholten betonte die Wichtigkeit stabiler (Handels-)Beziehungen, nicht nur zwischen Deutschland und den Niederlanden, um Herausforderungen wie Covid oder dem Brexit begegnen zu können. Wie gespalten MitbürgerInnen der EU sein können, wurde durch Thomas Regan deutlich, der Einblicke in die tief gespaltene britische Gesellschaft gab. Sie beeinflusse nicht nur das Königreich, sondern auch die EU-Bürger, nicht zuletzt die studierenden Teilnehmenden, denen unter anderem die Frage nach der Zukunft von Erasmus unter den Nägeln brannte. Aber auch Fischerei, Hongkong und der gemeinsame Kampf gegen Desinformation standen auf dem Programm.
 

Nicht nur Experten aus Wissenschaft und Forschung, sondern auch PraktikerInnen aus verschiedenen Institutionen bereicherten die 13. AAK: Mit Oberstleutnant i.G. Katharina Benford (Bundesministerium der Verteidigung) sprachen wir über Strategische Autonomie, Eurokorps und Pesco: Wie könnte die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik in der Zukunft aussehen? Oberst i.G. Martin Werneke von der Deutschen Militärischen Vertretung bei der NATO berichtete über die Wichtigkeit des transatlantischen Bündnisses für die Sicherheit Europas und welche Rolle Geopolitik spielt. Dass die Umsetzung politischer Leitlinien auf praktischer Ebene Herausforderungen birgt, wurde im Dialog mit Dr. Volker Treier, Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, deutlich: Europäische Industriepolitik konfligiert in der Praxis oftmals mit anderen Themen, wie beispielsweise der Umweltpolitik, dem Auftreten gegenüber China oder den Debatten über North Stream II. Patrick Lobis, stellvertretender Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin, beleuchtete mit seiner Expertise über die EU-Klimapolitik das Spannungsfeld zwischen Wachstum und Ressourcenknappheit, Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit. Politische Debatten zwischen den EU-Mitgliedstaaten sind an der Tagesordnung, wie Viola von Cramon-Taubadel, Mitglied des Europäischen Parlaments, anhand ihrer Berichte über den Alltag im EP verdeutlichte: Sogar innerhalb des gleichen Parteibereichs gehen Meinungen zu spezifischen Themen oftmals auseinander. Deutschland würde innerhalb Europas als ehrlicher und neutraler Makler wahrgenommen, und stelle in vielen Debatten gemeinsam mit Frankreich einen einflussreichen Faktor dar. Die Zusammenarbeit mit unserem westlichen Partner spielt auch im Bereich der Weltraumpolitik eine entscheidende Rolle: Dr. Regina Peldszus, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, betonte die Wichtigkeit der Zusammenarbeit bei Safety und Security im All, die Rolle privatwirtschaftlicher Akteure und die Bedeutung der Bodensegmente in der Weltraumtechnik.
 

Gemeinsam mit dem Netzwerk Außen- und Sicherheitspolitische Bildung e.V. bereiteten Alena Kalks und Leonard Wessendorf die Teilnehmenden auf den sicherheitspolitischen Arbeitsmarkt vor und gewährten Einblicke in ihre Arbeitserfahrungen im Bereich Rüstungspolitik. Auch hier gilt für die europäische Sicherheit, getreu dem EU-Motto: In Vielfalt geeint?


Wir bedanken uns bei den TeilnehmerInnen der 13. Sicherheitspolitischen Aufbauakademie für ihre Motivation sowie ihre qualitativ hochwertigen Fragen und natürlich bei den ReferentInnen, die diese Fragen immer offen, ehrlich und direkt beantwortet haben. Wir freuen uns schon darauf, auch im Jahr 2022 wieder zu einer Sicherheitspolitischen Aufbauakademie einzuladen.