Bestes Wetter und die Segel gesetzt

Bei 30 Grad und Sonnenschein hat die X. Sicherheitspolitische Aufbauakademie zum Thema „Segel gesetzt – Maritime Sicherheit im 21. Jahrhundert“ in Hamburg stattgefunden.

Besuch des Internationalen Seegerichtshof

Was ist UNCLOS?

Debatten über das Südchinesische Meer mit Dr. Michael Paul (SWP)

Dass die Weltmeere eine herausragende Rolle spielen, obwohl Maritime Sicherheit an Universitäten nur sporadisch behandelt wird, war vielen Teilnehmern schnell klar. So hängt inzwischen ein Großteil des weltweiten Handels von der Maritimen Sicherheit ab. Dies zeigte sich schon zu Beginn, als Fregattenkapitän Axel Schrader (NATO) mit einer Fahrt über die Ozeane, die wichtigsten Entwicklungen und Bedrohungen für die Maritime Sicherheit darlegte. Die von Herrn Schrader dargelegten Hotspots Horn von Afrika, Südchinesisches Meer und Arktis sollten in den nächsten Tagen von anderen Referenten aufgegriffen und vertieft werden. Das zweite Phänomen, dass uns über das Seminar hinweg begleitete, war die vielfach betonte Sea blindness in der politikwissenschaftlichen Forschungslandschaft, wie von Dr. Sebastian Bruns (ISPK) skizziert. Dieser Sea blindness entgegenzuwirken, das war Ziel des Seminars. Dementsprechend durfte für die Einführung an den ersten beiden Tagen auch die Perspektive der deutschen Marine nicht fehlen.

 

Die Relevanz der Marine ist für Deutschland unabdingbar

 

So legte Korvettenkapitän Axel Birgmeier-Hänisch (Marinekommando Rostock) die sicherheitspolitischen Tatsachen für Deutschland dar. Deutschland sei eine Macht in Mitteleuropa, die jedoch sicherheitspolitisch nicht stark genug sei, um trotz einer erheblichen Abhängigkeit vom internationalen Handel allein die eigene Sicherheit zu garantieren. Daraus ließe sich mit Hinblick auf die Maritime Sicherheit ableiten, dass Deutschland  nur im Verbund mit seinen europäischen, aber auch den NATO-Partnern auf die aktuellen Bedrohungen reagieren könne. Der Wandel einiger Akteure auf der sicherheitspolitischen Bühne von der "Stärke des Rechts" hin zum "Recht des Stärkeren" scheint dieses Vorgehen zu unterstützen, jedoch darf dieser Wandel nicht zukunftsweisend sein. Die Marine müsse deshalb aus den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen die notwendigen Fähigkeiten erkennen, um diese auszubauen. Mit den Trendwenden Personal-Material-Finanzen sei die Marine auf einem guten Weg, auch wenn der Erfolg der Maßnahmen nicht gleich zwingend am nächsten Tag zu beobachten ist.

 

Leonard Wessendorf, ehemaliger BSH-Vorsitzender, ging  der Frage nach, wie die Fähigkeiten entstehen, die die Bundeswehr benötige. Der seit den 90er Jahren vorgenommenen Verkleinerung der Marine, solle durch die bereits angesprochene Trendwende entgegengewirkt werden. Hierbei sei  allein zum Erhalt der Fähigkeiten und der Materialien mehr Mittel benötigt. In seinen Rüstungskapazitäten konzentriere sich Deutschland auf seine Schlüsseltechnologie Unterseebootbau. Darüber hinaus plant die Große Koalition, laut Koalitionsvertrag, den Überwasserschiffsbau zur Schlüsseltechnologie einzustufen, was sich an der aktuellen Ausschreibung für das Mehrzweckkampfschiff 180 zeige.

 

Auch auf hoher See kann es um Territorium gehen

 

Mit diesen drei Perspektiven im Hinterkopf, war es nun an der Zeit das Augenmerk auf die Details zu richten. So erhielten die Teilnehmer durch die Exkursion zum Internationalen Seegerichtshof, der für die Auslegung und Anwendung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (UNCLOS) verantwortlich ist, tiefe Einblicke in die rechtlichen Aspekte, wenn es um Ansprüche auf und in den Meeren geht. UNCLOS, das 1982 verabschiedet wurde, regelt die Nutzungsarten der Meere und regelt die Hoheitsbefugnisse der Küstenstaaten, woraus sich wiederholt Konflikte zwischen den Unterzeichner entwickelten. Im Falle einer Streitigkeit kann eine der Streitparteien die Internationalen Seegerichtshof anrufen, der dann über den vorgetragenen Fall entscheidet.

 

Ein Beispiel für solche Konflikte stellte Dr. Michael Paul (SWP) vor. Er beschäftigte sich mit den Territorialkonflikten im Südchinesischen Meer. Dort befindet sich eine der wichtigsten Handelsrouten der Welt und zeigt sich beispielhaft die sino-amerikanische Rivalität. Dabei sind die Streitigkeiten im Südchinesischen Meer nur eine von vielen Territorialstreitigkeiten in Ostasien. Am Bespiel des Südchinesischen Meers zeige sich jedoch hervorragend, dass es in einem solchen Konflikt um unterschiedliche Faktoren, wie Territorialansprüche, Handelswege, Ressourcen und Machtstreben der beteiligten Akteure gehe und dabei zunehmend die regelbasierte Weltordnung zur Disposition gestellt werde.

 

Bedrohungen nicht nur durch Staaten

 

Ein durchaus bekannteres Phänomen der maritimen Sicherheit ist Piraterie. Besonders durch die NATO Mission ATALANTA am Horn von Afrika mit großer deutscher Beteiligung, rückten maritime Fragestellungen etwas mehr in den Fokus des öffentlichen Diskurses und der Forschung.  Mit dem Ziel Ursachen, Methoden und Präventions- wie Bekämpfungsmöglichkeiten moderner Piraterie zu verstehen und interaktiv zu erarbeiten, nahmen die Teilnehmer an einem Workshop mit Johannes Peters (ISPK) teil. Schnell zeigte sich, dass die moderne Piraterie wenig mit der romantisierten Vorstellung der Hollywoodfilme gemein hat. Die hohen Fallzahlen und die damit verbundenen gestiegenen Gefahren für Schiffe und Besatzungen führte zum vermehrten Einsatz von bewaffneten Personal an Board von Handelsschiffen in den Hotspots der Piraterie. "Der Druck auf die Fläche führte zur Ausdehnung des Aktionsradius der Piraten", weshalb eine "Kombination aus staatlichen und privaten Akteuren schließlich den Erfolg brachten". In diesem Kontext zeige Piraterie die Grenzen von Seemacht auf. 

 

Bei der Bekämpfung von Piraterie sei eine Herausforderung, dass Schiffe und Besatzungen oftmals nicht klar einem Staat zuzuordnen seien, weshalb militärisches Vorgehen häufig nur schwer begründbar sei. Zudem ist Piraterie als Tatbestand ein Verbrechen, dessen Bekämpfung eigentlich in der Hand innerer Sicherheitsorgane liege. Wie Handelsschiffe darauf regierten beleuchtete Nils Retkowski von der Result Group GmbH. So stellte er diverse Möglichkeiten vor, die private Sicherheitsdienstleister anbieten, um Handelsschiffe vor Piratenangriffe zu schützen. Gerade am Horn von Afrika habe die bewaffnete Schiffsbegleitung durch Unternehmen aus der Sicherheitswirtschaft großen Erfolg gezeigt.

 

Zum Ausklang des Seminars im Rahmen nahm sich Prof. Dr. Aletta Mondré (Universität Kiel) Zeit, um mit den Teilnehmenden zum Thema Ocean Governance im Rahmen eines Kamingespräches bei kühlen Getränken zu diskutieren.  Als einen etwas weiter gefassten Aspekt der Maritimen Sicherheit konnten so die Eindrücke der letzten Tage in einen breiten Kontext gesetzt werden und ließ die Teilnehmer ein Stückchen weiter über den Tellerrand einer rein militärischen Betrachtung Maritimer Sicherheit blicken. So wurde über die Effizienz bereits bestehender Regeln und Regime der Meere gesprochen und diese noch einmal im Licht der einzelnen Fallstudien betrachtet. Zudem wurde über potentielle Herausforderungen der Zukunft, wie der Tiefseebodenbergbau gesprochen. Auch zum Abschluss des Seminars wurde erneut deutlich, wie viele Themen die maritime Sicherheit bietet und wie wenige davon bereits zu genüge erforscht sind. Doch nach vier Tagen intensiver Beschäftigung mit maritimer Sicherheit wurde zumindest die Sea blindness des sicherheitspolitischen Nachwuchses im BSH aufgehoben.