Veranstaltungsbericht: Investigativer Journalismus und Sicherheitspolitik: Risiko oder Dienst für die Öffentlichkeit?

Am 27.04.2021 diskutierten wir mit Hakan Tanriverdi vom Bayerischen Rundfunk das Zusammenspiel von investigativem Journalismus und Sicherheitspolitik. Um den ZuschauerInnen das durchaus komplizierte Verhältnis näher zu bringen, bereitete Hakan drei Beispiele aus seinem Arbeitsalltag vor.

Diese Beispiele sollten einerseits das Vorgehen von seinen KollegInnen und ihm illustrierten, und gleichzeitig die Berichterstattung darüber im Spannungsfeld zwischen investigativem Journalismus und Sicherheitspolitik positionierten.
 

Zu Beginn ging unser Referent auf die mittlerweile sehr stark verbreitete Industriespionage ein. In den letzten Jahren seien besonders DAX-Konzerne Opfer von Hackerangriffen mit staatlichem Auftrag geworden. Im konkreten Beispiel ging es um eine chinesische Hackergruppe, die die DAX-Konzerne mit staatlichem Auftrag angegriffen haben. Hierbei wurde eine Verbindung von sog. Hochtechnologien zu den chinesischen 5-Jahresplänen hergestellt. Die Aufgabe von Hakan und seinen KollegInnen bestand dabei darin, Unternehmen zu identifizieren, die Opfer von einem solchen Angriff geworden sein könnten, und diese daraufhin zu kontaktieren. Bei der späteren Berichterstattung überwiege die Notwendigkeit der Problembeleuchtung das Interesse der Unternehmen auf Verschwiegenheit, da Unternehmen über dieses Thema kaum bis gar nicht öffentlich sprächen.
 

In einem weiteren Themenblock wurde der Schutz von DissidentInnen thematisiert, die oft Hackergruppen mit staatlichen Auftrag zum Opfer fallen, wenn deren Heimatregierungen sie auch außerhalb des staatlichen Gebietes einzuschüchtern versuchen. Hierfür werde Schadsoftware benutzt. In diesem Bereich ginge es vor allem darum, wie betroffene Personen damit umgehen können. Leider oft zwecklos wenden sich betroffene Personen an lokale Polizeidienststellen, die oft aufgrund von hohen technischen Anforderungen nicht dazu in der Lage seien, den Betroffenen angemessenen Schutz zu gewähren. Des Weiteren stelle sich eine Zuständigkeitsfrage. Auch wenn lokale Polizeistellen ein Anlaufpunkt seien, sei auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zuständig, da es sich bei den Aktivitäten von Hackergruppen mit staatlichem Auftrag in Deutschland um Spionage handele. Wenn das BfV Kenntnis von solchen Vorgängen erhalte, unternehme es auch entsprechende Maßnahmen, um die betroffenen Personen zu schützen.
 

Zum Abschluss seines Inputs ging Hakan noch auf den Angriff auf demokratische Strukturen, wie bspw. den Bundestag im Jahr 2015, ein. Gerade bei diesem konkreten Beispiel waren er und seine KollegInnen dazu in der Lage, die Prozesse dieses Zeitraums bis ins kleinste Detail nachzuvollziehen und zu rekonstruieren. Im letzten Jahr wurde im Rahmen der Ermittlungen des besagten Falls auch Anklage gegen einen russischen Staatsbürger erhoben. Auch wenn dies ein wichtiger Schritt gewesen sei, gebe es immer noch wenig öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses Thema, da Regierungen solche Vorgänge oft unter Verschluss zu halten versuchen. Diese Transparenzlücke könnten JournalistInnen wie Hakan und seine KollegInnen füllen.
 

Die drei bereits vorher erwähnten Themen zeigen definitiv die Bedeutung von investigativen JournalistInnen. Doch bei all diesem Einfluss war es Hakan wichtig, die Standards der JournalistInnen zu betonen. Grundsätzlich müsse jede Information von zwei voneinander unabhängigen Quellen bestätigt werden. Im Anschluss daran werden die betroffenen Parteien kontaktiert und um eine Stellungnahme innerhalb von 24-48 Stunden gebeten. Zum Abschluss können die JournalistInnen auch zu Hintergrundgesprächen eingeladen werden, um einen Sachstand noch umfangreicher zu untersuchen. In diesem Rahmen komme es dann auch vor, dass JournalistInnen entscheiden, bestimmte Informationen nicht zu veröffentlichen, da deren Veröffentlichung laufende Ermittlungen gefährden könne
 

Im Rahmen der Diskussion hat sich unser Referent kritischen Nachfragen zum journalistischen Selbstverständnis, besonders herausfordernden Aufgaben und Cyberkriminalität als Gefährdung für die nationale Sicherheit gestellt.
 

Wir bedanken uns für die rege Beteiligung der Teilnehmenden sowie die Expertise des Referenten. Alle weiteren Details dieses spannenden Online-Seminars finden sich in der Aufzeichnung auf YouTube.