Online-Seminar: Klimawandel und (Un)-Sicherheit: Alte Konflikte anheizen und neue Konflikte schaffen

Der Klimawandel ist aktuell — natürlich neben der alles dominierenden Covid-19-Pandemie — eines der wohl am heißesten diskutierten Themen in der internationalen Gemeinschaft. Über die Rolle des Klimawandels in der Sicherheitspolitik sprachen wir am 10. September 2020 mit Dr. Christina Kohler von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.

Dass ein Zusammenhang zwischen Klima- und Sicherheitspolitik besteht, liege bereits nach kurzen Überlegungen auf der Hand: Der Klimawandel stelle vor allem für direkt Betroffene ein großes Sicherheitsrisiko dar. Die unmittelbaren Folgen des Klimawandels seien kurzfristige Extremwetterereignisse sowie langfristige Veränderungen durch Temperaturunterschiede, dauerhaften Niederschlag oder dessen Mangel sowie durch den Anstieg des Meeresspiegels. All dies resultiere in beeinträchtigen Lebensbedingungen vieler Menschen, gesteigerten Konfliktrisiken und hierdurch einer erschwerten nachhaltigen Friedenssicherung, so Kohler. Damit habe der Klimawandel auch Einfluss auf das globale Gewaltgeschehen, da er als Stressfaktor und Risikomultiplikator fungiere.

 

Auch wenn ein direkter kausaler Beitrag in der Wissenschaft als umstritten gelte, da er nicht zweifelsfrei operationalisierbar sei, verschärfen die Klimafolgen natürlich vor allem dort die Risiken bewaffneter Konflikte, wo die Konfliktwahrscheinlichkeiten ohnehin schon hoch sind. Vor allem hinsichtlich der Verfügbarkeit und Verteilung von Ressourcen steige das Konfliktpotenzial durch den Klimawandel. Dies erläuterte Kohler anschaulich am Beispiel der Ressource Wasser. Der Mensch sei zu 100% abhängig von Wasser, einer Ressource, für die es keinen Ersatz gibt. Hieraus entstünden zwar auch immer mehr Kooperationen zum Schutz dieser wertvollen Ressource, jedoch steige auch die Anzahl der sogenannten „Wasserkriege“. Wasser werde hierbei auf vielfältige Weise umkämpft, oder auch als Waffe oder Ziel eingesetzt.

 

Angesichts der Migrationsströme der vergangenen Jahre dränge sich in diesem Kontext auch die Frage nach einem Zusammenhang von Migration und Klimawandel auf. Hierzu konstatierte Kohler, dass sogenannte „Klimaflüchtlinge“ meistens in der Nähe ihrer Herkunft bleiben, um zeitnah dorthin zurückzukehren. Inwiefern durch Klimawandel eine internationale Auswanderung bestehe, sei wissenschaftlich nicht belegt, und auch schwierig zu belegen. Grund hierfür sei, dass Fluchtentscheidungen meist auf sehr komplexe Weise getroffen werden und oft multikausaler Natur seien, so Kohler. 

 

Nichtsdestotrotz entstünde auf nationaler wie globaler Ebene ein zunehmend stärkeres internationales Bewusstsein für die friedenspolitischen Herausforderungen des Klimwandels, betont Kohler als großen Fortschritt in diesem Bereich. In Europa sei offiziell anerkannt, dass der Klimawandel ein Risiko für Frieden und Sicherheit darstellt. Formate informeller Natur gibt es zwar, so ist Deutschland beispielsweise 2015 Initiator der G7-Formats „A New Climate for Peace“ gewesen, allerdings steigere dies bisher „nur“ die Wahrnehmung. Laut Kohler sei dies von großer Wichtigkeit, allerdings müsse auch etwas getan werden.

 

Dr. Christina Kohler plädiert deshalb für eine vorausschauende und gerechte Klimapolitik, die auf den beiden zwei Säulen Emissionsvermeidung und Klimaanpassung basieren solle. Detaillierte regionalspezifische Forschungen sowie ein Fokus auf einer konfliktsensitiven und zivilen Klimapolitik seien laut Kohler dringend notwendig.

 

In der Diskussionsrunde zum Abschluss dieses sehr vielfältigen Online Seminars wurden unter anderem nationale Klimapolitiken, deutsche Handlungsoptionen sowie der Nexus Klima-Sicherheit-Gender diskutiert. Außerdem sprachen wir über den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Klima-Debatte und die Auswirkungen des Klimawandels auf die Nord-Süd-Schere. Wer dieses spannende Online-Seminar verpasst hat oder noch einmal ansehen möchte, findet es auf unserem YouTube-Kanal unter folgendem Link: https://youtu.be/m24cxoGgy9s