Bericht Online Seminar: Saudi-Arabiens Vision 2030. Korruptionsbekämpfung, Macht und Modernisierung

Am 23.03.2021 diskutierten wir mit Dr. Anna-Lena Maier von der Universität Hamburg das Reformprogramm „Vision 2030“ des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (MBS) hat mit seinem Reformprogramm „Vision 2030" ambitionierte Pläne für die Zukunft Saudi-Arabiens. Dazu gehören auch Anti- Korruptionsmaßnahmen, die bereits zu einer Umstrukturierung in der saudischen Machtarchitektur führten, nachdem zahlreiche Mitglieder und Investoren der königlichen Familie wegen angeblicher Korruption verhaftet wurden. Gemeinsam mit Dr. Anna-Lena Maier von der Universität Hamburg diskutierten wir insbesondere Fragen zu Implikationen der Reformpläne in Bezug auf die Außen- und Sicherheitspolitik und welche Auswirkung diese auf die gesamte Region des sog. „Nahen Osten“ haben könnte.

 

Der Vortrag startete mit einen knappen Überblick über die Geschehnisse in Saudi-Arabien in den letzten Jahren. König Salman ernannte seinen Sohn MBS 2015 zum Verteidigungsminister Saudi-Arabiens und zum Chef des Hofes. 2017 wirft der König dann sogar die Thronfolge um und macht MBS ungeachtet der eigentlichen Erbreihenfolge zum Kronprinzen und damit zu seinem Thronnachfolger. Außerdem wurde MBS Vorsitzender eines neu geschaffenen Anti-Korruptions-Komitees. Ausgestattet mit weitreichenden Kompetenzen sorgte der Kronprinz innerhalb von Stunden dafür, dass zahlreiche Figuren des saudischen Establishments aufgrund von Korruptionsvorwürfen verhaftet wurden. Frau Meier erläuterte, dass dies verdeutliche, dass MBS noch nicht fest im Sattel der Thronnachfolge sitze und solche Aktionen nutzte, um ungeliebte Konkurrenten einzuschüchtern und sich gegenüber der Bevölkerung als Macher zu profilieren. 

 

Dazu diene auch die Umsetzung von Reformen im Zuge der Vision 2030. Diese Vision beinhaltet zahlreiche Reformvorhaben um die saudische Wirtschaft grundlegend auf andere Beine zu stellen und unabhängiger vom Verkauf von Öl zu werden. Dazu gehören auch bestimmte freiheitliche Zugeständnisse an die (junge) saudische Bevölkerung, wie beispielsweise die Erlaubnis für Frauen Auto zu fahren. Allerdings werden AktivistInnen und kritische JournalistInnen weiterhin eingeschüchtert, wobei die Ermordung des Journalisten Khashoggi nur die Spitze des Eisbergs sei. In einer Umfrage unter den Teilnehmenden des Online-Seminars gaben 95% an, dass Saudi-Arabien wohl in den nächsten 10 Jahren eine Autokratie bleibe.

 

Im letzten Teil ihres Vortrags sprach Frau Maier über die außenpolitische Lage Saudi-Arabiens. Wieder beantworteten die Teilnehmenden eine Umfrage. 70% gaben an, Saudi-Arabien als Stabilitätsanker in der Region zu sehen. Das könne zu einem Teil auf die engen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den USA zurückgeführt werden, da insbesondere MBS einen ausgesprochen engen Draht zur Trump-Administration hatte. Dies habe sich durch die Wahl Bidens zum neuen US Präsidenten etwas geändert, sodass MBS der neuen Administration wohl einige kleinere Zugeständnisse machen müsse. Gegenüber dem Iran ist jedoch keine Entspannung zu erwarten. So baut Saudi-Arabien sein ziviles Atomprogramm weiter aus und droht dem Iran damit, dass sie „alles hätten, was der Iran auch habe“.

 

In der abschließenden Diskussion wurde die Rivalität mit dem Iran weiter diskutiert aber auch gefragt, wie das Friedensangebot im Jemen einzuordnen sei. Weitere Diskussionspunkte waren eine mögliche Annäherung an Israel sowie die Rolle Chinas in der Vision 2030. Zudem wurden die innenpolitischen Implikationen der Vision 2030 noch einmal diskutiert und die Frage aufgeworfen, inwiefern eine Demokratisierung in dieser Weltregion überhaupt möglich sei. Die rege Teilnahme an der Veranstaltung und die vielen aufgebrachten Fragen zeigen, dass Saudi-Arabien auch in der deutschen Studierendenschaft auf großes Interesse stößt.