Online-Seminar: Herausforderung durch Desinformation in der digitalen Öffentlichkeit: bisheriger Umgang und Handlungsoptionen

Am 02. Juli 2020 widmeten wir uns gemeinsam mit Dr. Julian Jaursch, Leiter des Projekts „Stärkung digitaler Öffentlichkeit“ der Stiftung Neue Verantwortung, dem Thema Desinformation.

Am 02. Juli 2020 veranstaltete der Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) einen Online-Vortrag, um mit Dr. Julian Jaursch von der Stiftung Neue Verantwortung (SNV) über die Herausforderung durch Desinformation in der digitalen Öffentlichkeit zu diskutieren. Er leitet das SNV-Projekt „Stärkung digitaler Öffentlichkeit“ und analysiert und evaluiert dabei bestehende Ansätze, wie digitale Öffentlichkeit gestärkt werden kann und identifiziert mögliche regulatorische Maßnahmen zu deren Schutz.

 

In seinem Vortrag beleuchtete Dr. Jaursch verschiedene Aspekte der Desinformation. Diese arbeitet mit Elementen der Täuschung und der Verzerrung von Tatsachen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Falschnachrichten oder Lügen, der irreführenden Verbreitung von Informationen sowie dem Einsatz von gefälschten Absendern. Ziel ist es in der Regel, gegenseitiges Misstrauen in der Gesellschaft zu schüren.

Desinformation stellt dabei nicht nur eine gesellschaftliche, sondern auch eine individuelle Herausforderung dar, da sie auf die Beeinflussung der politischen Willensbildung von jedem und jeder Einzelnen abzielt.

Zwar ist Desinformation kein neues Phänomen, jedoch erhöht sich durch die zunehmende Digitalisierung die potenzielle Reichweite und die Möglichkeit, schon bestehende gesellschaftliche Polarisierungen weiter anzuheizen.

Entgegen der verbreiteten Annahme, Desinformation ziele gerade im Vorfeld von Wahlen auf eine Beeinflussung der öffentlichen Meinung ab, wies Dr. Jaursch darauf hin, dass Desinformation auf eine generelle Schwächung der politischen Willensbildung und die Verschärfung von gesellschaftlicher Polarisierung hinarbeite.

 

In seinem Vortrag wies Dr. Jaursch zusätzlich auf drei grundlegende Handlungsoptionen im Umgang mit Desinformation hin. Dazu zählen die Stärkung der digitalen Informations- und Nachrichtenkompetenz, aber auch mehr Forschung und die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Akteure, sowie klare Transparenzpflichten und eine stärkere Aufsicht gegenüber Social-Media-Plattformen.

Gerade im Hinblick auf Letztere ziele der bisherige Ansatz von Regierungen im Umgang mit Desinformation meist darauf ab, Inhalte auf digitalen Plattformen zu regulieren. Dabei sei jedoch nicht die bisher praktizierte Moderation und Löschung von Inhalten sinnvoll, sondern der Fokus müsse auf die Prozessebene verlagert werden, so Jaursch. Es bedürfe klar überprüfbarer, einheitlicher Standards für die Plattformen, etwa Transparenz darüber, wie Inhalte moderiert oder auch Feeds gerankt werden. Bei Verstoß gegen diese Compliance-Regeln müsse es auch Sanktionsmöglichkeiten geben, führte Dr. Jaursch weiter aus.

 

In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem um die Problematik bei der Attribution von Desinformation, also der Identifikation der Urheber und Urheberinnen, aber auch deren Ziele. Laut Jaursch hätten es gerade bei der technischen Attribution die bisher vorrangig zivilen und nichtstaatlichen Akteure, wie Recherchenetzwerke von Journalistinnen und Journalisten, sehr schwer, Informationen von den Plattformen zu erhalten.

Ein besonderes Spannungsfeld stellt der schmale Grat zwischen dem Umgang mit  Desinformation und der Zensur von Meinungsfreiheit dar. Problematisch wird dies besonders bei der ausschließlichen Fokussierung auf Inhalte bei der Regulierung. Deshalb sollte der Fokus wie oben erwähnt auf die Prozesse gelegt werden. Damit würde sich die Problematik mit einer möglichen Einschränkung der Meinungsfreiheit nach Ansicht von Herrn Jaursch erübrigen.

Auch die Frage nach der Bedeutung eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks wurde beleuchtet. Nach Meinung von Herrn Jaursch ist dieser eine sinnvoller Teil der deutschen Medienlandschaft und nimmt gerade im Umgang mit Desinformation eine wichtige Rolle ein. Er verwies auf eine Untersuchung der Stiftung Neue Verantwortung von Desinformation bei der Bundestagswahl 2017 in Deutschland. Dabei habe es zwar Anzeichen für Desinformation gegeben, jedoch auf einem deutlich geringeren Niveau als etwa in den USA, was unter anderem auch auf das relativ hohe Vertrauen der Bürger gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zurückzuführen sei.

 

Abschließend möchten wir uns bei allen Zuschauerinnen und Zuschauern, sowie insbesondere bei unserem Referenten Dr. Julian Jaursch für die spannende Diskussion bedanken. Das vollständige Online-Seminar ist auf dem YouTube-Kanal des BSH abrufbar unter: https://youtu.be/oglc4vlv2b4