Online-Seminar: Das Wahljahr 2021 - Zukünftige deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus parteipolitische Perspektive

Im Zuge unserer Veranstaltungsreihe: „Zukünftige deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus parteipolitischer Perspektive“ zur Bundestagswahl 2021, folgte nach unserer Auftaktveranstaltung die zweite Gruppe der Vertreter:innen des Bundestags. Der ehemalige verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Dr. Fritz Felgentreu, der Obmann der FDP im Verteidigungsausschuss, Alexander Müller und die friedenspolitische Sprecherin der Linken, Kathrin Vogler, führten eine intensive Diskussion über die sicherheitspolitische Zukunft Deutschlands, angeleitet durch die Journalistin Julia Weigelt.

Im ersten Teil der Diskussion ging es vor allem darum, was die Bundeswehr heute eigentlich für einen Auftrag hat, welche Fähigkeiten sie dafür benötigt und wie es in diesem Kontext um ihre finanzielle Grundausstattung steht. Dabei waren sich die Vertreter:innen der Parteien einig, dass die Bundeswehr in erster Linie für die Landesverteidigung zuständig sei. Allerdings argumentierten sowohl Dr. Felgentreu als auch Herr Müller, dass Auslandseinsätze im Rahmen der Bündnis/Landesverteidigung gleichrangig zu betrachten seien. Diese Punkte lehnte Frau Vogler deutlich ab und kritisierte die Ausrichtung der Bundeswehr als „Einsatzarmee“.

 

Der nächste Themenkomplex behandelte das Verhältnis und den Umgang mit Russland. Dabei erarbeitete Herr Müller heraus, dass aufgrund der russischen Handlungen (Krim-Annexion, Vergiftung Nawalnys, nicht-Achtung der Menschenrechte) der letzten Jahre Sanktionen gerechtfertigt seien, diese allerdings zielgerichteter seien sollten auf die verantwortlichen Personen, als allgemeine Wirtschaftssanktionen. Frau Vogler argumentierte, dass Deutschland und Europa im Falle Russlands, ihre Haltung grundsätzlich überdenken solle. Anstatt vom Kalten Krieg übernommene Denkweisen zu reproduzieren, solle ein gemeinsamer Prozess in einem kollektiven Sicherheitssystem  wie der OSZE entwickelt werden. Dr. Felgentreu argumentierte dagegen, dass zwar eine generelle Dialog-und Kontaktbereitschaft gegenüber der russischen Regierung wünschenswert und nötig sei, auf der anderen Seite Deutschland aber auch bereit sein muss die osteuropäischen Verbündeten militärisch zu schützen.

 

Im letzten Thema des Abends ging es um die Zukunft der europäischen bzw. transatlantischen sicherheitspolitischen Kooperation. Dr. Felgentreu stellte in Kürze den Vorschlag einer 28.ten EU-Armee unter Kommando der EU-Kommission vor, dies hätte den Vorteil, dass die Mitgliedsstaaten keine zusätzliche Souveränität nach Brüssel abgeben müssten, so Felgentreu.  Zusätzlich wies er in diesem Kontext darauf hin, dass abseits der abstrakten politischen Ebene bereits viel passiert. So fungiert die Bundeswehr bereits jetzt als Rahmennationen für andere Partner wie der Niederlande, die ihre Fähigkeiten andocken.

Daraufhin machte Frau Vogler deutlich, dass die Linke eine weitere Vertiefung der Gemeinsamen Sicherheit- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union und den Vorschlag der SPD zu einer Europaarmee deutlich ablehne. Die Linke tendiere eher dazu, die gesamte sicherheitspolitische Architektur neu zu strukturieren. Dazu soll die NATO ersetzt und inklusiver gestaltet werden. Gleichzeitig solle die nukleare Teilhabe beendet und die US-Basis in Ramstein geschlossen werden.

 

Herr Müller verdeutlichte, dass aus Sicht der FDP die europäische Kooperation weiter zu vertiefen sei, im Sinne der Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO. Probate Mittel dafür seien etwa gemeinsame Übungen, gemeinsame Einsätze und auch gemeinsame Entwicklung und Beschaffung von Fähigkeiten durch das PESCO-Framework. Eine europäische Armee sieht er allerdings maximal als Fernziel. Das größte Problem in der europäischen Verteidigung sieht Herr Müller allerdings in der fehlenden Harmonisierung der europäischen Rüstungsexportrichtlinien. Dies behindere die gemeinsame Neuentwicklung von Hochwertfähigkeiten massiv, daher solle hier angesetzt und sich auf gemeinsame Richtlinien geeinigt werden, um die europäische Rüstungskooperation voranzutreiben.

 

Im Anschluss daran folgte eine Q&A Session mit den Teilnehmer:innen zu einer ganzen Bandbreite von Themen. Zum Abschluss fragte Frau Weigelt noch einmal was, die Diskutant:innen für die größte sicherheitspolitische Herausforderung Deutschlands in der Zukunft hielten. Für Alexander Müller ist es das Erodieren der liberalen Weltordnung, während es für Dr. Fritz Felgentreu und Kathrin Vogler der Klimawandel ist.

 

Wir bedanken uns bei allen Beteiligten für die tolle Veranstaltung und sind gespannt was die Zeit nach der Bundestagswahl sicherheitspolitisch für Deutschland bringt.