PESCO - der Stein der Weisen der Europäischen Union!?

Eine Gruppe des BSH hatte im Juni die Gelegenheit mit Experten der Stiftung Wissenschaft & Politik (SWP), des European Council on Foreign Relations (ECFR) sowie zweier Bundesministerien über die im Dezember 2017 verabschiedete Permanent Structured Cooperation, kurz PESCO, der Europäischen Union zu diskutieren. Vor allem die Frage, ob es sich dabei um den großen Schritt zu einer weitreichenden gemeinsamen Verteidigungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten handelt oder es erneut bei einem Brüsseler Papiertiger bleiben wird, stand im Mittelpunkt des Seminars.

Zum Einstieg in das Seminar der Austausch über die Entwicklung der GSVP und dem Verhältnis zur NATO

Die Teilnehmenden in der Diskussion

Die Teilnehmenden zu Gast beim "NATOTalk around the Brandenburger Tor"

Die Teilnehmenden im Auswärtigen Amt

Abschlussdiskussionsrunde zwischen den Teilnehmenden

Die Gruppe in der Eingangshalle des Zentrums Informationsarbeit Bundeswehr in Strausberg

Groß waren die Hoffnungen als 25 EU-Mitgliedsstaaten Ende 2017 nach jahrelangen Verhandlungen die formale Etablierung von PESCO bekannt gaben. Nachdem sich die Außen- und Verteidigungspolitik immer wieder als eines der unbeweglichsten Politikfelder innerhalb der EU erwiesen hatte, schien die Chance auf mehr europäische Integration mit der Gründung PESCOs so nah wie lange nicht mehr.

 

Insbesondere Dr. Ronja Kempin, die die Gruppe in der SWP begrüßte, trat jedoch auf die Euphorie-Bremse. So sei PESCO im Grundsatz kein neues Projekt, ganz im Gegenteil. Alle 17 bisher angestoßenen Initiativen existierten bereits vorher oder hätten ohne den PESCO Rahmen initiiert werden können. Ein Großteil von ihnen sei lediglich mithilfe des wiedererwachten Tatendrangs im Angesicht des nahenden Brexits und der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten neu aufgelegt worden. Die essentiellen Probleme, die diese Initiativen zuvor blockiert hatten, seien dabei erneut nicht thematisiert worden, um das aufgekommene Momentum nicht zu verlieren.

 

Gleichzeitig wies Frau Dr. Kempin darauf hin, dass die Initiativen im Rahmen von PESCO oft vorschnell als Erfolg gewertet würden, weil sie ein sichtbares Zeichen dafür seien, dass die EU-Mitgliedsstaaten gewillt sind geschlossen auf gemeinsame Herausforderungen zu reagieren. Ein Wille, den die EU derzeit in vielen anderen Politikfeldern vermissen lasse.

 

Deutsche Inklusion vs. Französische Ambition

 

Während das Momentum zum jetzigen Zeitpunkt noch vergleichsweise groß sei, könnten jedoch auf lange Sicht erneut tiefer sitzende Konfliktlinien aufbrechen. Ein Kernproblem PESCOs sei insbesondere, dass das Projekt nicht langfristig durch geplant sei. Frau Dr. Kempin machte deutlich, dass es bereits jetzt 25 unterschiedliche Vorstellungen davon gebe, was PESCO für die einzelnen beteiligten EU-Mitgliedsstaaten bedeute und wie dessen Zukunft aussehen sollte.



Der entscheidende Konflikt könnte sich dabei ausgerechnet zwischen Deutschland und Frankreich, den einflussreichsten EU-Mitgliedsstaaten, auftun. Abgezeichnet hatte sich dieser jedoch bereits in den Monaten vor der formalen Gründung PESCOs. Die französische Regierung hätte lieber weniger Staaten an PESCO beteiligt, um mit einer kleineren Gruppe möglichst effektiv ambitionierte Projekte voranzutreiben. Von deutscher Seite war im Gegensatz dazu immer ein breiterer Ansatz präferiert worden, der möglichst vielen EU-Mitgliedsstaaten eine Beteiligung ermöglichen sollte. Letztendlich setzte sich letztere Vision durch. Das Frankreich bereits parallel zu PESCO seine Idee einer Europäischen-Interventions-Initiative international ins Gespräch brachte, die über die PESCO Ansätze hinausgehen soll, zeige, dass dieser deutsch-französische Konflikt noch nicht vorbei sein könnte.

 

Deutschlands Führungsrolle und -ambitionen

 

Neben Vorträgen in der SWP und dem Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr (ZInfoABw) bildeten die Besuche im Auswärtigen Amt (AA) und im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) den zweiten Dreh- und Angelpunkt des Seminars. Während es im AA vor allem um den momentanen Entwicklungsstand der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) im Allgemeinen sowie der bereits angestoßener PESCO-Projekte ging, wurde im BMVg die Rolle Deutschlands innerhalb von PESCO ausführlich diskutiert. So habe Deutschland bereits jetzt bei vier Initiativen als Koordinator die Federführung übernommen und gestalte darüber hinaus weitere Initiativen aktiv mit.

 

Nach Abschluss des dreitägigen Seminars blieb vor allem die Erkenntnis, dass mit PESCO zwar etwas Altes wieder aus der Schublade gezogen wurde, dies jedoch nicht zwangsläufig ein Grund zur Sorge sei. Mit Blick auf die unsichere Weltlage in der die EU sich wiederfinde, sei genau jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen die oft seit Jahren existierenden Zielsetzungen in diesem neuen Rahmenprojekt in die Tat umzusetzen. Noch vor vier oder fünf Jahren wäre ein Unterfangen wie PESCO dagegen vermutlich von vornerein zum Scheitern verurteilt gewesen.

 

 

Hintergrund 

Der Bundesvorstand des Bundesverbands Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH) bietet interessierten Studierenden und jungen Absolventen Deutschlandweit verschiedene hochkarätige Seminare und Lehrgänge. Die Themenschwerpunkte variieren dabei jedes Jahr. Das Zusatzseminar „Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU und aktuelle Entwicklungen im Rahmen von PESCO“ wurde in Kooperation mit dem Zentrum Informationsarbeit Bundeswehr in Strausberg organisiert und durchgeführt.