Podiumsdiskussion: China, Hongkong, Menschenrechte

Am Abend des 23. Januar 2020 lud die Hochschulgruppe Sicherheitspolitik zusammen mit der Kieler Hochschulgruppe von Amnesty International zur Podiumsdiskussion „China, Hongkong, Demokratie: Europäische Außenpolitik und der Schutz der Menschenrechte in der aufstrebenden Weltmacht“. Es diskutierten Frau Prof. Dr. Kerstin von der Decken, Völkerrechtlerin vom Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht aus Kiel, Herr David Missal, Journalismus-Student und Hongkong-Aktivist aus Essen sowie Frau Dr. des. Josie-Marie Perkuhn, Sinologin vom Institut für Sicherheitspolitik Kiel. Durch die in drei thematische Blöcke strukturierte Veranstaltung führte die rund 250 Besucher Verena Heimann, Ratsfrau in der Ratsversammlung der Stadt Kiel.

 

Den ersten Themenblock einleitend skizzierte David Missal die Geschichte des Hingkong-Konflikts von den Ursprüngen im Jahr 2003, als es erste Versuche gab, ein so genannten Sicherheitsgesetz zu verabschieden, über verschiedene Einschränkungen der Pressefreiheit im Laufe der Jahre bis hin zu den aktuellsten Protesten vor dem Hintergrund des mittlerweile zurückgezogenen Auslieferungsgesetzes. Besonders spannend waren dabei die Eindrücke Missals selbst, der als Student bis 2018, als die chinesischen Behörden sein Visum nicht mehr verlängerten, vor Ort lebte, studierte und das Geschehen am eigenen Leibe miterlebte. Letztlich sei es das Ziel der Demonstranten, die nach dem Handover von Großbritannien an die VR China zugesicherten Rechte wie demokratische Mitbestimmung, Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Gerichte zu sichern. Gerade weil die vertragliche Frist hierfür 2047 auslaufen wird, wird das Problem immer drängender, denn schon jetzt lasse sich stellenweise eine Unterminierung der eigentlich vertraglich zugesicherten Rechte erkennen. Das Mindeste jedenfalls, was sich die Bevölkerung wünschen würde, sei eine Mitbestimmung darüber, wie das Verhältnis Hongkongs zu China nach 2047 gestaltet ist – und dies lasse sich quer durch alle Schichten der Bevölkerung beobachten.

 

Anschließend ordnete Sinologin Frau Perkuhn das chinesische Selbstverständnis, das sich in den Handlungen Pekings in Hongkong zeigt, in einen größeren geopolitischen Zusammenhang ein. Die Rolle Chinas in der Welt habe sich seit 2010 im Rahmen der going-out-Strategie verändert. Peking unternimmt vermehrt Versuche, ein alternatives Weltordnungsmodell zu etablieren, das sich nicht mehr nur auf Süd-Süd-Kooperation beschränkt, sondern auch mit fortgeschrittenen Staaten zusammenarbeitet. Weltweit etabliert China verschieden Formen der Zusammenarbeit, von Lateinamerika über Afrika und Asien bis hin nach Europa. Großprojekte wie die Neue Seidenstraße oder die 17+1-Initative stellten hier nur die Spitze eines geopolitischen Eisberges dar. Nicht nur über technikbasierte state-owned enterprises, auch über hybride Elemente, den Aufbau alternativer Gerichtsbarkeiten oder durch Militärbasen im Ausland (etwa in Djibouti) verändert China globale Konfliktstrukturen. Letztlich steige derzeit durch ein solches strategisches Ausgreifen auf andere Weltregionen trotz offiziellen Festhaltens an der Antihegemonie-These das internationale Bedrohungspotenzial durch China an. Anzumerken sei jedoch, dass China das kopiert, was ihm westliche Mächte lange vorgemacht hätten – nämlich seinen eigenen Nutzen aus dem kapitalistischen Weltsystem zu ziehen und dadurch Einfluss auszuüben.

 

Wie den Menschenrechtsverletzungen Chinas nun auf rechtlicher Ebene begegnet werden könne, war die Leitfrage des dritten Blocks. Frau von der Decken stellte zunächst klar, dass es kein Menschenrecht auf Demokratie oder ein bestimmtes wirtschaftliches System gebe; auch eine eingeschränkte Demokratie in Hongkong wäre vor diesem Hintergrund nicht zu kritisieren. Völkerrechtlich ist China nur an die von ihm ratifizierten UN-Menschenrechtsverträge und das geltende Gewohnheitsrecht gebunden, ein regionales Menschenrechtsschutzsystem existiert in Asien bislang nicht. Eine Sondersituation besteht freilich in Hongkong: Dort sind durch den Handover-Vertrag bis 2047 eine ganze Reihe von Menschenrechten vertraglich kodifiziert. Allerdings sieht China das Hongkoner Basic Law, in welches der Handover-Vertrag überführt wurde, als nationales – und damit jederzeit änderbares – Recht. Großbritannien versteht dies zwar anders, im Übergabevertrag ist aber kein Streitschlichtungsmechanismus vorgesehen. Rechtlich bleibt daher die Erkenntnis, dass der Weltgemeinschaft weitgehend die Hände gebunden sind. Möglich sind allenfalls Dialog und als extremste Maßnahme Sanktionen – die aber aufgrund der massiven Abhängigkeiten von China kaum ein nennenswerter Akteur ergreifen dürfte. Insofern findet sich China in einer Position der Stärke wieder, in der es sich gewisse Dinge schlicht ohne die Furcht vor ernsten Konsequenzen leisten kann.

 

Durchweg war die Veranstaltung von einer nachdrücklich geführten Diskussion mit dem Publikum geprägt. Zahlreiche Fragen aus dem Kreis der Besuchern haben die Veranstaltung bereichert, auch wenn sicherlich aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nicht auf alle Wortmeldungen eingegangen werden konnte. Die hitzige Debatte zeigt aber fraglos, wie viele Menschen dieses sensible Thema beschäftigt und wie viel weiterer Diskussionsbedarf hier noch immer besteht. Wir danken unseren Diskutanten, unserer Moderatorin sowie den gut 250 Besuchern für die engagierte Teilnahme und freuen uns schon auf die nächste spannende Diskussionsveranstaltung!